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Der unbeugsame Papagei

Der unbeugsame Papagei

Titel: Der unbeugsame Papagei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
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fiel in den weißen Schnee.
    Von dem Schuss ganz benommen, bemerkte Dobrynin nicht, dass er wieder allein in der Dunkelheit zurückblieb. Der Mann mit der Taschenlampe war irgendwohin verschwunden. Die Scheinwerfer des unsichtbaren Wagens strahlten weiter­hin den Eingang zum Magazin an, aber Menschen waren keine mehr zu sehen.
    Eine Haustür schlug zu. Dobrynin drehte sich um und erkannte menschliche Gestalten, die in seine Richtung marschierten. Er freute sich, weil er dachte, dass ihm nun Petrow und der Urku-Jemze zu Hilfe eilten.
    Doch schon ein paar Augenblicke später trat Verzweiflung an Stelle der Erwartung.
    „Petrow ist kein Russe!“, rief Waplachow im Näherkommen, schwankte in der nächsten Sekunde und fiel schwer mit dem Gesicht in den Schnee.
    „Schweig!“, schrie der Funker, der ein wenig hinter Waplachow gegangen war.
    Waplachow erhob sich merkwürdig ungeschickt, und als er genauer hinsah, begriff Dobrynin, dass man auch seinem Gehilfen die Hände gefesselt hatte.
    ‚Verrat!‘, dachte er.
    Eine Minute später stand Waplachow neben dem Volkskontrolleur.
    „Ich habe ja gesagt, dass er kein Russe ist“, brummte der Urku-Jemze leise. „Aber der Russe Dobrynin hat es nicht geglaubt …“
    Der Funker Petrow trat zu ihnen.
    Plötzlich ertönte in der Stille eine Frauenstimme, die auf Nichtrussisch etwas sagte.
    Sogleich antwortete Petrow in die Dunkelheit in dem­selben Nichtrussisch. Und er ging ein Stück weit fort.
    „Was machen wir jetzt?“, fragte Dobrynin flüsternd seinen Gehilfen.
    „Wir müssen fliehen“, antwortete Waplachow.
    „Wohin denn?“, fragte der Volkskontrolleur.
    Auf diese Frage konnte der Urku-Jemzen nicht mehr antworten. Wieder erschien in der Nähe der Strahl der Taschenlampe, beleuchtete das Gesicht von Dobrynin und sprang gleich weiter auf das Gesicht des Urku-Jemzen. Sie kamen zu dritt auf sie zu: der Mann mit der Taschenlampe, Petrow und eine schmaläugige junge Frau.
    Gern hätte Dobrynin etwas Aufgebrachtes gesagt, um ihnen zu zeigen, was er von ihnen hielt, doch außer schlichten Beschimpfungen kam ihm nichts in den Sinn.
    „Genosse Dobrynin, das ist leider schief gegangen!“, sagte der Funker Petrow plötzlich in entschuldigendem Ton. „Ich dachte, Sie würden schlafen …“
    Zorn packte da den Volkskontrolleur.
    „Du Hund!“, schrie er dem Funker böse ins Gesicht. „Die Heimat hast du verkauft!“
    Der Funker schaute finster drein.
    „Meine Heimat ist Japan“, sagte er. „Und ich liebe sie genauso, wie Sie die Sowjetunion … Wir sind keine Feinde. Wir sind japanische Revolutionäre.“
    „Revolutionäre stehlen keine Felle!“, erklärte Dobrynin, wobei er dem Funker geradewegs in die Augen sah.
    Petrow seufzte schwer.
    „Man hat Ihnen nur nichts gesagt … Im Kreml weiß man darüber Bescheid …“, erklärte er verworren. „Wir haben da so eine Vereinbarung mit dem Kreml: Wir nehmen die Felle mit nach Japan und verkaufen sie, und für das Geld kaufen wir Waffen für die künftige Revolution … Genosse Takae hier ist unser Ältester, er wird den Aufstand leiten.“ Petrow wies mit einer Geste auf den Mann mit der Taschenlampe.
    Takae verbeugte sich.
    Da Dobrynin spürte, dass die Gefahr vorüber war, entspannte er sich ein wenig.
    „Weiß denn Genosse Twerin davon?“, fragte er, weil er immer noch Zweifel hegte, was die Wahrheit von Petrows Worten anbetraf.
    „Wer ist denn das?“, fragte der Funker.
    „Sein früherer Name ist Kalinin …“
    „Nein, Kalinin weiß das nicht“, antwortete Petrow. „Starowojtow weiß es, Bereschnizki weiß es, Petrenko …“
    „Und wer sind die?“, wunderte sich Dobrynin, als er die ihm unbekannten Namen hörte.
    „Mitglieder des Politbüros und des ZK .“
    „Weiß es denn Woltschanow?“, fragte Dobrynin streng.
    „Und wer ist das?“, fragte der Funker seinerseits.
    „Ein Tschekist des Kreml …“
    „Er weiß es sicher.“ Der Funker nickte. „Ist Ihnen denn nicht kalt?“
    „Doch“, antwortete Dobrynin.
    „Dann kommen Sie, wir gehen alle ins Haus und wärmen uns auf!“
    Sie kehrten ins Haus zurück, wo schon mehrere Japaner um das Ofenfass saßen. Der Funker löste dem Urku-Jemzen und Dobrynin die Fesseln von den Händen. Dann nannte er alle Japaner beim Namen, einschließlich der jungen Frau, die sich bei Licht als sehr schön erwies, geradezu wie aus einem östlichen Märchen entsprungen.
    Dobrynin sah sie lange an. Petrow erklärte, dass sie die Tochter eines Ministers war und bereit

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