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Der unbeugsame Papagei

Der unbeugsame Papagei

Titel: Der unbeugsame Papagei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
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nervös und blickte sich um, sah aber gar nichts Besonderes.
    „Wohin fahren wir?“, fragte er den Urku-Jemzen.
    „Das dauert nur kurz, nur eine Minute!“, sagte, sich halb zu ihm wendend, Waplachow. „Dort ist Ekwa-Pyris, wir müssen uns vor ihm verneigen!“
    Als er aufmerksam voraus spähte, erblickte der Volkskontrolleur einen kleinen Hügel, und darauf einen einzelnen Pfahl mit einer Art Knauf oben darauf.
    Sie fuhren dicht heran. Der Urku-Jemze stieg von ihrem Schlitten, trat an den Pfahl, verneigte sich und stimmte einen Klagegesang in seiner Sprache an.
    Dobrynin wollte sich nicht auswickeln und die warmen Rentierfelle abwerfen. Er betrachtete den Pfahl nur aufmerksam, erkannte obenauf den Kopf des Führers und beruhigte sich so endgültig.
    „Was sagst du ihm denn da alles?“, fragte er.
    „Danke dafür, dass mein Volk lebt!“, erklärte der Urku-Jemze, der seine Verbeugungen schon beendet hatte.
    „Und den weiteren Weg findest du?“
    „Die Hunde kennen ihn!“, antwortete Waplachow. „Wir sind ja nur ein wenig zur Seite abgewichen.“
    Leicht und flüssig glitt ihr Schlitten dahin. Nur die Kufen pressten aus dem Schnee dann und wann einen pfeifenden Laut heraus, ganz schwach und leise.
    „Weißt du, dass Ekwa-Pyris Tiere liebte?“, fragte Dobrynin plötzlich.
    „Ekwa-Pyris liebt alle!“, nahm Dmitrij das Gespräch bereitwillig auf. „Die Bären liebt er, die Menschen, die Walrösser und den Fisch liebt er …“
    „Auch die Katzen liebt er!“, ergänzte Dobrynin.
    „Was sind denn Katzen?“
    „Na, Haustiere …“
    „Geben sie Milch?“, erkundigte sich der Urku-Jemze.
    „Nein.“
    „Fell?“
    „Also, eigentlich … ja, sie haben ein flauschiges Fell, aber …“
    Waplachow nickte, ohne sich umzudrehen.
    „Und weißt du, wie Ekwa-Pyris auf Russisch heißt?“, fragte der Volkskontrolleur, der munter geworden war.
    „Wie?“
    „Lenin!“, antwortete Dobrynin.
    „So kurz?“
    Dobrynin nickte. „Er war ein großer Mann! Dabei be­scheiden, überhaupt nicht gierig …“
    „Woher weißt du so viel über Ekwa-Pyris?“, staunte der Urku-Jemze.
    „Ich habe zwei Bücher über ihn.“
    „Gibst du sie mir zu lesen?“, fragte Waplachow.
    „Das mache ich“, antwortete Dobrynin.
    Leicht und flüssig glitt ihr Schlitten dahin. Immer seltener begegneten ihnen einsame Bäume auf ihrem Weg. Öfter leuchtete zu beiden Seiten nur weiße Schneewüste, unendlich und unbelebt.
    Der Volkskontrolleur jedoch fühlte sich wohl. Die Rentierfelle ließen die Kälte nicht durch, und nur seine Augenbrauen und die Augen spürten ihre stechende Gegenwart.
    „Außerdem bekam Lenin – Ekwa-Pyris bei euch – nicht gern Geschenke“, erinnerte sich Dobrynin laut.
    Ihm war nach Reden zumute. Der Weg vor ihnen war lang. Und das Kratzen der Kufen hatte der Volkskontrolleur schon rechtschaffen satt.
    Der Urku-Jemze lauschte interessiert Dobrynins Erzählung darüber, dass Ekwa-Pyris nicht gern Geschenke bekam.
    Unterdessen zog sich der Tag dahin, und die weiße Sonne hing scheinbar unbeweglich an ihrem Platz, gleichsam im Himmel eingefroren – wie jene zwei Volkskontrolleure damals im Eis.
    Dobrynin hätte gern etwas gegessen, aber er stellte sich sogleich vor, wie er sich dafür auswickeln und die Hände unter den Rentierfellen herausziehen müsste. Seufzend beschloss er, noch ein wenig zu warten.
    Ein weiterer starker Baum flog einsam an ihrem Schlitten vorüber und blieb in der Schneewüste hinter ihnen zurück.
    Der Urku-Jemze stimmte leise eine Weise seines Volkes an.
    Das Lied gefiel Dobrynin nicht, es war schwermütig und ihm außerdem vollkommen unverständlich.
    Er hätte gern das russische Lied vom frierenden Kutscher gesungen, überlegte es sich dann aber anders, da er dafür den Mund hätte öffnen müssen und sich vielleicht erkältet hätte.
    So sauste der Schlitten unter dem monotonen Gesang des Urku-Jemzen Waplachow dahin.
    Auf einmal verstummte Waplachow.
    Da er sich irgendwie schon an dieses endlose urku-jemzische Lied gewöhnt hatte, wunderte sich Dobrynin und rutschte auf seinem Sitz hin und her, um die Aufmerksamkeit seines Gehilfen auf sich zu ziehen.
    Waplachow wandte sich jedoch von selbst um, und sein Gesicht drückte Bestürzung aus.
    „Dort! Ein russischer Panzer!“, rief er mit der Hand nach vorn weisend.
    Die Hunde rannten unbeirrt einmütig weiter.
    Als Erstes erblickte Dobrynin leicht rechts vor ihnen, einen großen einzelnen Baum, und dann kurz danach den grünen

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