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Der unbeugsame Papagei

Der unbeugsame Papagei

Titel: Der unbeugsame Papagei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
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paar Sätze, zwischen denen sie nachdenkliche Pausen machte.
    Dobrynin heftete den Blick auf seinen Gehilfen und wartete gespannt auf die Übersetzung.
    „Das ist auf Russisch schwer zu sagen …“, begann Waplachow verlegen. „Dort ist sozusagen die Wegbeschreibung zu einem bestimmten Ort …“
    „Zu welchem Ort?“, fragte der Volkskontrolleur lebhaft.
    „Sie hat gesagt, dass sie versteht, zu welchem Ort, dass sie es aber nicht sagen wird.“
    Auf diese Worte hin war Dobrynin gekränkt. Da hatte er ihr im Namen des russischen Volkes ein Geschenk gemacht, und sie wollte ihnen nicht erzählen, was auf den alten Häuten geschrieben stand. Das war ja eine schöne Dankbarkeit! Am liebsten hätte Dobrynin ihr das Geschenk des russischen Volkes wieder weggenommen, wenn sie so gar keine Achtung für sein Volk hatte. Aber gleich darauf fiel ihm ein, dass das nicht anständig wäre, vor allem, da sie nach einer solchen Tat noch mehr Garstiges über die Russen sagen würde. Und da verrauchte seine Kränkung schnell wieder.
    ‚Das sind doch sowieso alles Märchen!‘, dachte der Volkskontrolleur. ‚Hol sie der Teufel!‘
    Nachdem er der alten Frau stumm die Handschriften-Häute aus den Händen genommen hatte, umwickelte Dobrynin sie wieder mit der Lederschnur, legte sie in seinen Reise­sack und sagte, zu seinem Gehilfen umgewandt: „Nimm die Hunde, und lass uns losfahren! Hier gibt es nichts mehr für uns zu tun!“
    Fünf Minuten später traten sie zu dritt in die Kälte hinaus.
    Die Alte blieb stehen und steckte sich ihre erloschene Pfeife an, danach erklärte sie Waplachow ruhig etwas und wies mit der Hand in die Ferne.
    Darauf half sie ihnen, einen langen Holzschlitten unter dem frischen Schnee herauszuziehen.
    Der Volkskontrolleur zählte die Hunde im Gespann. Es waren sieben.
    Er sah sich nach Waplachow um – der stand da allein. Die Alte war irgendwo verschwunden.
    „Wo ist sie?“, fragte Dobrynin.
    „Sie möchte ein Geschenk machen“, antwortete der Urku-Jemze kurz.
    „Dem russischen Volk?“, wollte der Volkskontrolleur wissen.
    „Nein, uns“, antwortete Waplachow. „Sie sagt, vielleicht wird der Weg schwer!“
    Dobrynin wollte noch etwas fragen, doch in dem Augenblick sah er die Alte. Sie kam aus dem Zelt und trug ein un­geheures Bündel in ihren Armen, das mit einem Leder­riemen verschnürt war.
    „Was ist das?“, fragte der Volkskontrolleur den Urku-Jemzen.
    „Rentierfelle, damit uns beim Fahren wärmer ist!“, er­läuterte Dmitrij.
    „Aha, gut.“ Dobrynin nickte. „Sag ihr: Danke!“
    Nachdem sie sich von der Alten verabschiedet und sich auf dem Schlitten bequem eingerichtet hatten, machten Dobrynin und Waplachow sich auf den Weg.
    Leicht und flüssig glitt ihr Schlitten dahin. Einmütig liefen die Hunde im Gespann, und es schien, als würde es ihnen überhaupt nicht schwerfallen, die gar nicht so leichte Fracht zu ziehen.
    „Sie kennen den Weg!“, bemerkte Waplachow zufrieden. Vielleicht lobte er die flauschigen Hunde, vielleicht wollte er aber auch einfach die Tatsache seinem Chef mit­tei­-len.
    Die Sonne über ihnen war trüb-weiß und groß. Sie wärmte weder, noch leuchtete sie richtig.
    „Wie lange müssen wir fahren?“, fragte der Volkskon­trolleur.
    „Es mögen wohl zwei Tage werden, wenn kein Schneesturm uns zuweht“, antwortete der Urku-Jemze bedächtig. „Die Alte hat gesagt, dass es erst vor kurzem einen Schneesturm gegeben hat, also kommen wir vielleicht so durch.“
    Der Wald ringsumher wich zurück, und an seine Stelle trat eine eigenartig offene Landschaft. Einsame Bäume ragten plötzlich inmitten des Schneefeldes auf, und diese Bäume waren stark und hoch, mit festen, dicken Ästen. Auf ihren Ästen lag Schnee.
    Dobrynin blickte sich suchend nach Abwechslung um, aber alles ringsum war gleichförmig und altbekannt.
    Nach einer Weile spürte der Volkskontrolleur die Kälte, die ihm in die Knochen und den ganzen Körper kroch, und er beklagte sich bei dem Urku-Jemzen.
    Dmitrij hielt die Hunde an, indem er ihnen etwas Unverständliches zurief. Dann band er die Rentierfelle auf, die ihnen die Alte geschenkt hatte, und half Dobrynin, sich so darin einzuwickeln, dass nur die Augen und ein Teil der Stirn ungeschützt waren.
    Sogleich wich die eisige Kälte.
    Die flinken Hunde rannten aufs Neue los.
    Lang war der Tag, ja wie es Dobrynin vorkam, schier endlos.
    Plötzlich rief der Urku-Jemze den Hunden abermals etwas zu, und sie bogen nach rechts ab.
    Dobrynin wurde

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