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Der unbeugsame Papagei

Der unbeugsame Papagei

Titel: Der unbeugsame Papagei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
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Waplachow.
    „Mein Mitka hat bei jedem Wetter gebellt!“, erinnerte Dobrynin sich. „Wenn sich nur irgendwo ein Fremder zeigte, dann hat er gleich so gebellt, dass alle Nachbarn aufgewacht sind … Heulen denn eure Hunde gar nicht?“, fragte der Volkskontrolleur plötzlich.
    „Das kommt vor“, antwortete Dmitrij. „Aber sehr selten. Weshalb sollen sie heulen? Hier ist das Leben gut, sie werden gut gefüttert, mit Trockenfisch und Fleisch …“
    Dobrynin hörte seinem Gehilfen schon nicht mehr zu. Er ging hinter ihm her, setzte seine Füße in dessen Fuß­-stapfen, und war traurig dabei. Wie gern hätte er in diesem Augenblick ein richtiges Hundegebell gehört, um sich nur für eine Sekunde wie in seinem Dorf, zu Hause zu fühlen, um sich von dieser wilden Gegend abzulenken, in der seltsame, unverständliche Dinge vor sich gingen, mit denen er sich zurechtfinden musste.
    Aus dem Zelt trat eine alte Frau heraus, in einem glockenförmigen Pelz, der mit Verzierungen bestickt war. Sie blieb stehen und steckte sich eine Tabakspfeife an, während sie darauf wartete, dass die Männer zu ihr kamen.
    Es waren noch zehn Schritte bis zum Zelt, als Waplachow stehenblieb, sich leicht verneigte und etwas zu ihr in ihrer Sprache sagte. Sie antwortete ihm auf die gleiche Weise und kehrte in das Zelt zurück.
    Im Inneren des Zeltes war es schummrig, nichts als ein kleines Feuer auf dem graubraunen Boden beleuchtete mit seinen Flammen die karge Einrichtung der nördlichen Be­hausung.
    „Hier ist ein Geschenk“, sagte Dobrynin, wobei er die schwere Tasche von der Schulter nahm. „Vom russischen Volk!“
    Die Alte sah den Volkskontrolleur an, ohne zu blinzeln, ohne ihren ernsten, starren Gesichtsausdruck zu ändern.
    „Versteht sie Russisch?“, fragte Dobrynin und drehte sich nach seinem Gehilfen um.
    „Sie sagt nein, aber vielleicht versteht sie es doch! Sie sind ein kluges Volk!“
    „Dann gib ihr das hier und erkläre ihr, was ich gesagt habe!“, wiederholte Dobrynin und hielt die Tasche dem Urku-Jemzen hin.
    Waplachow nahm die Tasche, stellte sie auf den Zelt­boden neben das Feuer und sagte etwas in ihrer Sprache zu der Alten. Sie lächelte kaum merklich, und danach fragte sie etwas.
    „Sie fragt: Ist das nicht ein Geschenk von Petrow?“, übersetzte der Urku-Jemze.
    Dobrynin fluchte innerlich einmal kurz.
    „Sag ihr, dass das vom russischen Volk ist!“
    Der Urku-Jemze nickte und übersetzte ihr die Worte des Volkskontrolleurs.
    Auf einmal wurde die Alte bekümmert und sah den Volkskontrolleur an. Offensichtliches Mitgefühl stand in ihren Augen.
    „Was ist denn jetzt?“, fragte Dobrynin bestürzt.
    Die alte Frau begann plötzlich zu wehklagen, worauf Waplachow sie unterbrach, und nachdem er einen sehr, sehr langen Satz gesagt hatte, holte er Luft, wandte sich zu seinem Chef und sagte: „Sie dachte, du seist der letzte noch lebende Russe, weil du ihr das von deinem Volk schenkst!“
    „Ach herrje!“, sagte Dobrynin und lachte verlegen. „Was denkt sie sich nur alles aus! So, nun ist es gut, nimm ihre Hunde und frag sie, wie wir zur nächsten Stadt kommen.“
    Der Urku-Jemze sprach noch lange mit ihrer Gastgeberin. Dobrynin war es allmählich leid, zu warten. Er trat ungeduldig von einem Fuß auf den anderen. Und plötzlich kam ihm ein Gedanke, der gar nicht so langweilig war wie die vorangegangenen. Was wäre, wenn man der alten Frau diese Zeichen auf den Fellhäuten zeigen würde? Vielleicht würde sie verstehen, was dort geschrieben stand.
    Nachdem er das Ende des Gesprächs abgewartet hatte, zog er die Felle aus dem Reisesack, gab sie dem Urku-Jemzen und erklärte ihm seine Idee.
    Der Urku-Jemze zeigte die Felle der Alten. Sie setzte sich mit ihnen ans Feuer und begann die Zeichen aufmerksam zu studieren.
    In der eingetretenen Stille war nur noch das Zischen der Flammen zu hören und bekräftigte, dass das Leben weiter-ging.
    Lautlos bewegte die Alte ihre Lippen, und Dobrynin schien es, als würde sie stumm diese alten Schriftzeichen lesen. Gern hätte er sie sofort danach gefragt, aber der Volkskontrolleur beschloss zu warten.
    Endlich löste sie den Blick von den komplizierten schwarzen Zeichen auf der vergilbten Haut. Sie blickte ins Feuer, dann stand sie auf.
    „Und? Was steht da?“, fragte Dobrynin, der vergessen hatte, dass die Alte ja nicht Russisch sprach.
    Da sagte der Urku-Jemze etwas, indem er offenbar die Frage seines Chefs übersetzte.
    Die alte Frau seufzte schwer und entgegnete ein

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