Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der unbeugsame Papagei

Der unbeugsame Papagei

Titel: Der unbeugsame Papagei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
Vom Netzwerk:
Laubhütte.
    Banow und Klara erhoben sich und gingen, um Karpowitsch zu suchen.

Kapitel 10
    An den Abenden brummten über dem Hügel des Neuen Gelobten Landes abermals Flugzeuge, sie flogen tief, in großen Schwärmen auf die untergehende Sonne zu. In der ersten Zeit hatten alle Bewohner die Köpfe verdreht und staunend mit den Blicken diese hier früher nie gesehenen eisernen Vögel mit den roten Sternen an den Flügeln verfolgt. Aber am dritten Tag schwand das Interesse an den vorüberfliegenden Flugzeugen, und dann schenkte man ihnen keine besondere Beachtung mehr.
    Das Leben ging weiter, die Felder um das Neue Gelobte Land herum grünten. Ruhig floss der kleine Fluss, an dessen Ufer täglich der Schornstein von Sachars Räucherei rauchte, in der außer dem Räuchermeister selbst jetzt auch der einhändige Pjotr lebte. Sachar hatte ihn gesundgepflegt und ihn dann bei sich behalten, und jetzt versuchte dieser kleingewachsene Mann, erfüllt von Dankbarkeit und Liebe gegenüber Sachar, ihm auf jede erdenkliche Weise zu helfen und nützlich zu sein. Dabei packte er jede Sache an, für deren Ausführung eine einzelne rechte Hand genügte. Zum Glück gab es in der Räucherei ausreichend davon, und Sachar hatte schnell gespürt, wie mit dem Auftauchen eines Helfers die Arbeit gleich besser voran ging.
    Nun konnten sie zu zweit in wenigen Minuten noch in der heißen Rauchkammer des Ofens das schon geräucherte Fleisch herausnehmen und das frische an die gusseisernen Haken hängen. Abends saßen sie an dem Holztisch am Fenster, tranken allerlei Kräutertees und genossen beide bisweilen mehr ihr Schweigen, als nichtssagende Unterhaltungen.
    Im Häuschen war es immer warm und trocken und roch stets wunderbar angenehm und appetitlich. Gar nicht davon zu reden, dass sie abseits der Kommune für sich allein aßen und dafür keinerlei Vorwürfe zu hören bekamen.
    Vor dem Schlafen ging Pjotr gewöhnlich an den Fluss, um sich zu waschen.
    Eines Tages, als die Flugzeuge schon verstummt waren, hörte Pjotr, als er ans Ufer kam, Stimmen, und er versteckte sich. Er war ein scheuer Mann und wich allen unnötigen Begegnungen mit den Menschen aus, erst recht, seit er anstelle der Hand den langen und nutzlosen Stummel besaß.
    Er versteckte sich, hockte sich am Wasser ins Gras, und als seine Augen sich an die beginnende Dunkelheit ein wenig gewöhnt hatten, erblickte er zwei Badende im Fluss. Es waren der bucklige Buchhalter und seine Frau, eine angenehme Frau mit einem runden Gesicht. Da gab es kein Gespräch zwischen ihnen, nur leises Prusten und Ächzen. Und plötzlich fragte der Buchhalter: „Hör mal, wird Wasiljok da drüben sich nicht erkälten?“ „Ach was“, antwortete seine Frau. „Es ist doch warm, und es geht kein Wind.“
    ‚Ich warte, bis sie weg sind, dann gehe auch ich ins Wasser‘, beschloss Pjotr und legte sich auf den Rücken, um in die Sterne zu schauen. Doch da sank sein Kopf auf etwas Weiches, und im selben Augenblick plärrte ihm Kinderweinen direkt ins Ohr. Vor Schreck sprang er auf die Füße.
    „Geh hin“, drang die Stimme des Buchhalters herüber. „Hörst du, er ist aufgewacht!“
    Pjotr schlich, ohne sich nach dem aufgewachten kleinen Buben umzusehen, auf Zehenspitzen zurück in ihr Räucherei-Häuschen. Nur die Tür quietschte, als er eintrat.
    Sachar lag bereits auf seiner Bank, zugedeckt mit einem langen Stück Tuch, das jemand aus der nahen Kolchose ihm einmal als Bezahlung gebracht hatte.
    „Na, fertig gebadet?“, fragte er.
    „Nein“, antwortete Pjotr. „Da sind Leute …“
    „Dann schlaf …“
    Pjotr legte sich auf seine Bank, die an der anderen Wand stand. Er streckte sich auf dem Rücken aus und sann nach. Er dachte an Glascha, die ihn gleich nach dem Gericht verlassen und sich seither kein einziges Mal nach ihm erkundigt hatte. Er hatte sie in der letzten Zeit ein paar Mal gesehen, aber auch das nur von fern. Sie war schwanger, und davon wurde Pjotr traurig zumute – da würde nun ein Kind geboren, und später würden die Leute zu ihm sagen, dass sein Vater ein Dieb gewesen war … Was für ein Dieb war er denn? Nur rauchen hatte er wollen …
    Ein Klopfen an der Tür störte Pjotrs Gedanken. Er richtete sich auf.
    „Mach auf“, sagte Sachar heiser. „Sicher wollen sie zum Wodka was zu kauen haben. Gib ihnen den überräucherten Hasen, der in der Vorratskammer gleich hinter der Tür hängt, ihnen ist das ja egal.“
    „Bin gleich da!“, sagte Pjotr, als er zwei menschliche

Weitere Kostenlose Bücher