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Der unbeugsame Papagei

Der unbeugsame Papagei

Titel: Der unbeugsame Papagei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
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blickte sich um – es war wunderschön, gleich-sam ewiger Sommer. Grünes Gras, Bäume, Löwenzahn­blumen …
    Diesmal gingen sie schneller und, so kam es Banow vor, auf einem anderen Pfad zu dem Hügel, an dem der Kremlträumer lebte.
    „Halt!“, flüsterte Karpowitsch und hob den Zeigefinger an die Lippen.
    Banow horchte.
    Irgendwo nicht weit von ihnen tönte eine einsame menschliche Stimme.
    „…ückliche Kinder … flanieren … sonnige …“, drangen Wortfetzen an Banows Ohr.
    „Er träumt!“, flüsterte Karpowitsch vielsagend. „Also, Hals- und Beinbruch. Ich warte hier! Aber macht nicht lange!“
    Banow nickte und nahm Klara bei der Hand. Sie gingen der Stimme nach.
    Der Kremlträumer wunderte sich überhaupt nicht, als er sie erblickte.
    Banow wollte ihn begrüßen, doch als er an dem Träumer einen vertrauten beigen Anzug erblickte, freute er sich so, dass er das vergaß.
    „Guten Tag!“, sagte Klara und lächelte freundlich.
    Man sah, dass sie sehr aufgeregt war.
    „Tag, Tag!“, antwortete der Träumer, ohne vom Gras aufzustehen. „Woher kommen Sie? Setzen Sie sich! Möchten Sie einen Tee?“
    Banow war bestürzt und geriet in Verlegenheit, Klara hingegen hatte sich fest in der Hand. Sie setzte sich.
    „Wir kommen aus Moskau“, sagte sie.
    „Sehr gut!“, sagte der Kremlträumer und rieb sich die Hände. „Und, wie ist es da?“
    „Gut“, nickte Banow.
    „Es wird noch besser!“ Der Kremlträumer hob den Zeigefinger der rechten Hand hoch und zeichnete gleichsam mit ihm ein Ausrufezeichen in der Luft. „Wissen Sie, was für ein Leben es bald geben wird?!“
    „Nein …“, flüsterte Banow.
    Klara saß reglos da, ihr Mund stand ein wenig offen.
    „Ein herrliches Leben wird es geben! Nicht nur in Moskau! Ich glaube, dass es auch in Petrograd eines geben wird, und in Samara! Überall!“, sagte der Kremlträumer beseelt. „Für die Kinder wird man schöne Paläste aus Glas und Holz bauen, man baut sie ja jetzt bereits, das weiß ich. So werden sie auch heißen: Paläste der Kindheit! Die Kinder werden dort hinfahren, die verschiedensten Spiele spielen, und man wird sie dort Schreiben und Musik lehren! Einfache Schulen wird es bald nicht mehr geben! Einfache Schulen sind nicht imstande, den neuen Menschen zu erziehen. Ist es nicht so?“
    Banow nickte mechanisch, und der Kremlträumer, der auf sein Nicken hin lächelte, fuhr fort.
    „Sie, von welcher Volkszugehörigkeit sind Sie?“, wandte er sich an Klara.
    „Von den Deutschen …“, antwortete sie.
    „Bald wird es so eine Volkszugehörigkeit nicht mehr geben! Es wird überhaupt keine Völker mehr geben! Alle werden einander Brüder und Schwestern sein, und die Menschen teilt man nur noch in drei Gruppen ein: Männer, Frauen und Kinder … Dann gehören viele Vorurteile der Vergangenheit an. Mir hat da einmal ein Alter aus dem Ural geschrieben, dass er die Juden nicht mag, da habe ich ihn gefragt, ob es Juden im Ural gibt, und erfahren, dass es keine dort gibt! Aber wie kann man jemanden nicht mögen, den es gar nicht gibt? Verirrungen sind das alles, jahrhundertealte Verirrungen! Ich verstehe selbst gut, woher solche Veirrungen kommen! Zum Beispiel mochte ich das ukrainische Brot nicht, wissen Sie, es ist so schwarz! Ich mochte es nicht, und wenn ich beschränkt und ungebildet bin, dann sage ich, dass ich die Ukrainer nicht mag, ihr Brot schmeckt nicht gut! Ich habe das an mir selbst erlebt, als ich im Norden bei einer Familie von Küstenbewohnern zu Gast war. Sie haben mir zum Mittagessen eine Suppe gegeben … nie habe ich etwas Scheußlicheres gegessen, aber ich habe nichts gesagt und auch den Nachschlag noch aufgegessen … Danach hat sich mir drei Tage der Magen umgedreht, da, hier hat es wehgetan“, er wies auf seinen Bauch. „Und wenn ich ungebildet wäre, würde ich sagen, dass ich diese Eismeerküstenbewohner nicht mag, aber ich bin ja gebildet!“
    „Von allen Künsten wird der Film die wichtigste werden“, fuhr der Herr der Hütte zu träumen fort. „Aus allem werden wir Filme machen, jeder Schritt jedes Menschen wird auf Zelluloid gebannt …“
    Banow döste ein. Der Weg herunter war nicht leicht gewesen, und er war rechtschaffen erschöpft.
    „Was ist mit Flugzeugen?“, fragte Klara plötzlich.
    „Flugzeuge?!“, wiederholte der Kremlträumer begeistert. „Flugzeuge wird es sehr viele geben. Jede Kolchose wird ihr Flugzeug haben, mit dem die Agronomen und einfachen Bauern herumfliegen und nachsehen werden,

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