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Der unbeugsame Papagei

Der unbeugsame Papagei

Titel: Der unbeugsame Papagei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
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Schwere der schlaflosen Nacht spürte, dachte im Gehen nach. Er dachte darüber nach, dass, wenn er damals nicht Mitleid mit Pjotr gehabt hätte, er ihm an diesem Morgen zum Abschied hätte die linke Hand drücken müssen. Aber wie drückte man die?
    Während er darüber nachdachte, drehte der Buchhalter seine Handflächen vor sich hin und her und versuchte sich einen solchen Händedruck vorzustellen.

Kapitel 11
    Schon begannen ihnen die Signalraketen auszugehen, von denen sie eine ganze Kiste gehabt hatten, als Chramow unerwartet, nach einem weiteren Schuss in den Himmel, in den Wagen hereingeeilt kam und glücklich schrie:
    „Sie sind in der Nähe! Da war eine Rakete! Sie sind ganz nah!“
    „Was hatte die Rakete für eine Farbe?“, fragte Kalatschew.
    „Grün!“, sprudelte Chramow hervor.
    „Und was für eine hast du abgeschossen?“, erkundigte sich Dujew.
    „Rot!“
    „Gut“, seufzte der Volkskontrolleur zufrieden. „Gut, dass wir sie mit einer Roten empfangen haben! Sehr gut.“
    Froh versammelten sie sich alle, schlüpften in ihre Fellmäntel und Pelze, zogen die Ohrenklappenmützen auf und die Fäustlinge über und liefen hinaus.
    Als die Hunde so viele Menschen aus dem Wagen eilen sahen, gerieten sie in Aufregung. Sie sprangen hoch und wedelten mit den Schwänzen.
    Sechs Männer blieben unten vor dem Wagen stehen und erstarrten.
    Sie hörten etwas. In der grauen Luft dieses unbestimmten Tages hinter dem Polarkreis konnte man ferne mechanische Klänge vernehmen.
    „Habt ihr gehört? Habt ihr gehört?“, rief der lahme Dujew mit hochgereckter Hand, damit sie ihn beachteten. „Habt ihr gehört? Sie haben Schienen gelegt! Ich weiß es! Ich hab als Kind gehört, wie sie Schienen legen!“
    Dobrynin lauschte noch aufmerksamer. Ein Lärm lag in der Luft, doch einzelne Klänge hätte er nicht unterscheiden können.
    Waplachow hustete, und da blickten sie ihn voller Vorwurf an. Sogleich verschloss sich der Urku-Jemze mit seinem Fäustling den Mund und wandte sich ab.
    „Bald geht es nach Hause!“, sagte Stepan Chramow träumerisch.
    „Es ist kalt …“, bemerkte Kalatschew leise.
    Dobrynin beugte sich zu dem Hund hinunter, der ihm am nächsten war, und streichelte ihn.
    „Siehst du“, sagte er leise, damit seine Gefährten ihn nicht hörten. „Es ist geschafft! Wir haben es geschafft …“
    Als erster kehrte Goroschko zurück in den Wagen. Hinter ihm folgten, einer nach dem anderen, auch die Übrigen, und als letzter ging Chramow hinein, der sich, träumend oder auf die Klänge horchend, draußen noch ein wenig Zeit gelassen hatte.
    Drinnen im Wagen befahl Kalatschew, dass Goroschko Verbindung mit Moskau aufnehmen und über alles berichten solle.
    Das Drehen der Knöpfe und das Ausrichten nahm wenigstens eine Stunde in Anspruch, doch schließlich war eine Verbindung hergestellt, und zwischen der Hauptstadt des Sowjetlandes und der irgendwo im Unbekannten verlorenen Expedition streckte sich eine unsichtbare Linie aus Punkten und Strichen aus. Die liefen dabei in beide Richtungen. Im Wagen notierte sie Jura Goroschko, und irgendwo dort im Kreml nahm ein namenloser Regierungsfunker die Mitteilungen auf.
    „Sie erbitten die Namen aller Expeditionsteilnehmer, für die Erteilung von Orden!“, rief Goroschko Kalatschew zu und drehte sich um.
    „Na, dann gib sie ihnen! Kennst du denn unsere Namen nicht?“
    „Soll ich ihnen alle geben?“, fragte der Funker zurück und schielte hinüber zu dem Urku-Jemzen.
    Kalatschew verstand Goroschkos Zweifel, unterbrach ihn aber einigermaßen scharf:
    „Alle sechs Namen.“
    Der Funker gab sie durch. Er nahm den Kopfhörer ab.
    „Morgen melden sie sich!“, sagte er, ohne sich umzudrehen.
    Am nächsten Tag – und ‚Tag‘ nennen konnte man ihn nur, weil alle aufwachten und aufstanden, nicht etwa, weil die Natur dafür irgendwelche Anhaltspunkte gab – piepte die Funkstation los und rief den Funker zu sich. Es geschah dies gerade nach dem Frühstück, auf das in letzter Zeit nur der Urku-Jemze verzichtete.
    Goroschko eilte hin, griff nach dem Kopfhörer und nahm auf seiner Hockerkiste Platz, in der Hand den Bleistift, vor sich das aufgeschlagene Heft. Wohl eine Minute wartete er angespannt, dann raschelte das Blatt unter seinem Stift los.
    Mochte auch klar sein, was man ihnen an diesem Tag mitteilen würde, so saßen doch fünf Männer im Wagen und warteten mit Ungeduld auf die Nachrichten, während sie den sechsten beobachteten, den einzigen unter ihnen,

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