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Der unersättliche Spinnenmann

Der unersättliche Spinnenmann

Titel: Der unersättliche Spinnenmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pedro Juan Gutierrez
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wohl anders. Auf jeden Fall war er ein netter Mensch.«
    »Ah.«
    »Es heißt, diesmal hätte er zwei Jungs mitgenommen. Er hatte Geld, er arbeitete im Café Venecia, auf der Galiano-Straße. Sie haben ihn sicher mal gesehen. Ein weißer, schlanker, etwas über vierzig vielleicht. Sehr feminin. Man sah es ihm von weitem an.«
    »Nein, ist mir nie aufgefallen.«
    »Es heißt, sie haben ihn mit dem Schlauch der Waschmaschine erdrosselt.«
    Jetzt wurde der Leichnam auf der Bahre heruntergebracht, mit einem Laken bedeckt. Sie schoben ihn in den Krankenwagen und fuhren langsam davon. Keine Eile geboten. Die Polizei arbeitete weiter. Ich zog wieder ab. Es war zwölf und heiß und wahnsinnig schwül. Ich widerstand der Versuchung, zur Bar Las Delicias zu gehen, um mich mit einem Glas Rum und einer Zigarre in aller Ruhe an die Theke zu setzen. Genau gegenüber des Kellers mit dem Schatz der Republik. Ich mag diesen Ort unheimlich gern. Dort trinke ich Rum, rauche und denke an die Goldbarren. Und die Zeit vergeht. Ich schaffte es, mich zu beherrschen, und ging heim. Nichts zu tun. Das Bild wollte ich nicht mehr ansehen. Julia würde erst am Abend von der Arbeit nach Hause kommen, bis zum Arsch nach Pizza und ranzigem Käse stinkend. Sie konzentrierte ihre ganze physische, mentale und seelische Energie auf die Scheißpizzas und das Fast-Food-Fressen. Als ob das nicht reichte, war sie auch noch mitten in den Wechseljahren: hatte totalen Horror vor Falten, plötzliche und häufige Hitzewellen und Schweißausbrüche, war furchtbar eifersüchtig auf jedes Fräulein, das sich mir näherte. Schlaflosigkeit in manchen Nächten und totale Lustlosigkeit in anderen. Manchmal wirkte sie wie die heilige Theresa von Avila beim freien Schweben, andere Male wie eine der Hexen von Salem, die morgens um zwei nackt durch die Wohnung lief und rief: »Ich ersticke, ich ersticke!« Ich ignorierte sie, so gut es ging. Alles war wirr und unerklärlich.
    Ich verbrachte den Tag lesend, malend, schreibend, hörte Musik. Vertrieb mir die Zeit mit dem Umräumen von Porzellan- und Bronzefiguren, Miniaturen. Doch unterliefen mir dauernd Unfälle und Pannen dabei, so wie andere dauernd unter Schnupfen oder Husten leiden. Ich versuchte, das ganze Chaos zu ignorieren, und kehrte die Reste unter den Teppich.
    Es herrschte eine drückende Hitze, und ich vertrieb mir die Zeit damit, durchs Fenster die Nachbarn in den unteren Stockwerken zu beobachten. Ich frage mich, ob alle Leben so schwindelerregend chaotisch sind wie meins. Ob alle so atemlos verzweifelt leben? Es ist unerträglich. Manchmal denke ich, ich sollte ein bisschen auf die Bremse treten. Andere Male denke ich, alles ist gelaufen. Es gibt kein Zurück mehr. Wenn man so schreibt, dass das Schreiben zur Sucht wird, dann wird man immer mehr zum Forschenden, zum Entdecker. Und um etwas zu entdecken, muss man bis zum Grund gehen. Das Schlimme ist nur, dass es, ist man erst mal auf dem Grund angekommen, unmöglich wird, wieder an die Oberfläche zu gelangen. Man kommt nie mehr raus. So gegen sechs ging ich langsam los, Richtung Kirche. Immer noch herrschte eine unerträglich schwüle Hitze. Der Eingang zu den A. A. liegt an der Rückseite. Es war noch zu früh und die Tür noch geschlossen. Ich lief ein Stück weiter. Blieb an einer Ecke stehen, um die Zeit verstreichen zu lassen. Und da waren sie alle vor mir, die Versuchungen: die Bar Casa Grande, uralt, total heruntergekommen und ohne irgendwas in den Regalen, doch an einem Ende der Theke verkaufte ein Kellner billigen Rum, Zigaretten und Zigarren. Das gab es immer. Und die Mulattinnen und schwarzen Frauen – die weißen langweilen mich zu Tode –, die mit ihren herrlichen Körpern und ihrer frechen, provozierenden Lässigkeit auf dem Gehsteig an mir vorbeigingen. Ich betrat das Casa Grande. Setzte mich auf einen Barhocker und bestellte einen Doppelten. Die Bar liegt an der Ecke Águila- und San-José-Straße, das heißt, sie ist von loderndem Höllenfeuer umgeben. Ich mag dieses Viertel hinter dem Capitol. Ein Höllenkessel voll siedenden Öls. Doch ich wollte keine Probleme. Beschränkte mich darauf, zu trinken und den Frauen nachzuschauen, die über den Gehsteig gingen. Um fünf vor sieben stand ich auf und ging zu meinem ersten Treffen der Anonymen Alkoholiker. Voller Hoffnung. Und Neugier. Hatte keine Ahnung, wie es sein würde. Ein paar Meter vor der Tür blieb ich stehen. Schaute hinein. Von der Straße aus. Und dachte nichts. Einfach gar

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