Der unsichtbare Feind (German Edition)
wird.“
„Sehen Sie Gunter, in ganz
Wien arbeiten Hunderte Polizisten und Profiler fieberhaft daran, den Kreis der
Verdächtigen weiter einzuengen“, antwortete der Professor im gewohnten
Fachchinesisch, „Es werden laufend Fortschritte gemacht. Ich bin sehr
zuversichtlich, dass …“
„Ach, kommen Sie schon, ich
weiß, wie ihr Beamte arbeitet. Ehrlich, da kommt mir doch das Kotzen!“
Mit jedem ausgesprochenen
Wort schien sich der Mann mehr in Rage zu reden: „Ich hätte gute Lust, eine
Bürgerwehr zusammenzustellen, die sich dann um diese Sache richtig kümmert. Sind
wir‘s uns doch ehrlich, ihr streicht jede Menge Steuergeld ein und letzten
Endes muss man doch alles Selbst erledigen.“
„So ein Arschloch!“, fluchte
Stark kopfschüttelnd.
„Nun ja, Gunter, ich
versichere Ihnen …“, gab sich der Professor wenig kämpferisch.
„Was versichern Sie?“,
schnitt ihm Gunter erneut das Wort ab, „Sie können gar nichts versichern! Ich
entstamme selbst einer gehobenen Familie, ich kann Ihnen nur eines sagen: Tun
Sie etwas dagegen, oder wir nehmen das Problem selbst in die Hand!“
In dem Mann kochte sichtlich
die Wut hoch. Obwohl Stark es besser hätte wissen sollen und die „Play“-Taste
an seinem CD Spieler hätte drücken sollen, lies er die Radiosendung weiter
laufen.
„Ich verstehe Sie, aber Sie
müssen jetzt Ruhe bewahren und die Polizei ihre Arbeit tun lassen“, war alles,
was der sichtlich überforderte Professor noch dagegen zu halten hatte.
Das wusste wohl auch die
Moderatorin, aber wer wäre sie, wenn sie an dieser Stelle eingegriffen hätte? Als
erfahrener Fuchs im Business wusste sie, dass Emotionen immer gut für die
Quoten waren.
„Wissen Sie was?“, fauchte
der Mann durch die Lautsprecheranlage des Mustangs, als ob er neben Stark säße,
„ich Scheisse auf ihre Erklärungen und ich Scheisse auch auf die Polizei …“
Das war der Moment, in dem
die Moderatorin nun doch eingriff und den wütenden Mann aus der Leitung nahm:
„Danke Gunter und nun ein Hit aus dem vergangenen Sommer …“
Stark nahm die Gunst der
Stunden wahr und ließ Beethovens Neunte in den Aufnahmeschlitz seines CD
Spielers gleiten. Er lehnte sich entspannt in seinem Ledersitz zurück und
genoss die frische Morgenluft, die ihn wohltuend umströmte. Mittlerweile hatte
Stark Schloss Schönbrunn und dessen Tiergarten, der als der älteste noch
bestehende Zoo der Welt galt, hinter sich gelassen und fuhr die Lainzer Straße
entlang. Im Vorüberfahren wanderte sein Blick über die Dutzenden Reklametafeln,
die das Straßenbankett säumten.
An einer war ein luxuriöses
Ausflugsschiff abgebildet, das, der untergehenden Sonne entgegen, sorglos durch
die Wässer des Wienstroms trieb. Unterhalb des Bildnisses war in großen Lettern
„MS Danube“ zu lesen. Überhab entzifferte Stark die Wörter „Donau-Kanalrundfahrt“
und „geschlossene Gesellschaft“, ehe er an der Reklame vorbeigefahren war.
Stark war zwar kein großer
Schwimmer, aber für Schifffahrten, vor allem wenn sie luxuriös gestaltet waren,
hatte er immer schon etwas übrig gehabt. Wenn es seine Zeit erlauben würde, und
das würde sie definitiv erst dann, wenn sein Fall gelöst war, dann würde er
sich mit einer Schifffahrt selbst belohnen.
Im fahlen Licht der Morgendämmerung
versuchte er noch einmal seinen Kopf zu leeren, um sich auf das Bevorstehende
vorzubereiten. Eine Mordserie musste aufgeklärt werden und er würde sie mit
Sicherheit aufklären, das war immer so gewesen und würde sich auch jetzt nicht
ändern. Es gab niemanden, der an einem Fall härter arbeitete als er, sein
ganzes Tun war darauf ausgerichtet. In seiner Jugend hatte sein Leben eine
entscheidende Wendung genommen, die ihn förmlich dazu zwang nach Wien zu gehen.
Als er sein Talent erkannt hatte, war es für ihn eine logische Konsequenz
gewesen, in den Polizeidienst zu treten. Die Erinnerung an das, was damals
geschehen war, war blass und nebelhaft und trotzdem schien es so, als wäre es
erst gestern passiert, als seine Welt für immer verändert wurde.
Er durchquerte Hietzing, bis
er in der Nähe des Lainzer Krankenhauses an einer lang gezogenen Einfahrt mit
offenstehendem, schwarzem Tor und einem makellosen Kiesweg dahinter, der von
weiten Rasenflächen eingeschlossen war, zu stehen kam.
Mehrere Streifenwagen standen
bereits innerhalb und außerhalb des Geländes und erleuchteten den jungen Morgen
mit einem rotblauen Farbenspiel. Um das hektische Treiben herum
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