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Der unsichtbare Mond

Der unsichtbare Mond

Titel: Der unsichtbare Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A. Owen
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persönlich.
    »Das ergibt keinen Sinn«, sagte Meredith. »In dieser Position würde er nicht etwas so Belangloses wie eine Bibliotheksausmusterung unterzeichnen – das gehört nicht einmal mehr zu den Aufgaben eines Professors.«
    »Das ist nicht das einzige Ungewöhnliche an der Sache«, sagte Hjerold. »Die Fakultät, die die Kiste loswerden wollte, war das Mathematik-Institut.«
    »Was ist daran ungewöhnlich?«
    »Weil«, sagte Hjerold, »zwar einige Bücher in der Kiste sind, aber im Großen und Ganzen handelt es sich um eine Musikaliensammlung – Schubert, genau genommen.«
    Meredith runzelte die Stirn. »Was kann das Mathematik-Institut mit einer Kiste voll Schubert wollen?«
    »Das ist ja das Seltsame daran. Jedenfalls gibt es noch einen Haufen anderer Dinge, die wir durchsehen müssen, um sie genau zu identifizieren. Shingo wird noch eine Weile im Archiv herumwühlen und nachsehen, ob er Material finden kann, das dazu in Beziehung steht. Er wollte auch noch damit warten, unsere Funde darzulegen, bis wir alle zusammenkommen können. Also dachte ich, jetzt sei ein guter Zeitpunkt, um…«
    Er stockte abrupt, als er Delna sah.
    »Ähm, hallo, Mrs. Beecroft. Wie geht es Ihnen?«
    »Sehr gut, danke, Hjerold«, erwiderte sie mit ihrer gewohnten Fröhlichkeit.
    »Und, äh, Mr. Beecroft? Wie geht es…«
    In diesem Augenblick sprang Glen zu seiner Frau hinüber und biss ihr ins Hinterteil. Dann machte er sich glucksend daran den Kamin hochzuklettern, bis er sich etwa sechs Meter über dem Boden befand. Er stieß sich von der Mauer ab, erwischte einen der antiken Kronleuchter und goss, während er daran hin und her schaukelte, Lampenöl aus einem Beutel hinein, den er um den Hals trug. Als er fertig war, ließ er sich zu Boden fallen und blickte Hjerold an.
    »Wenigstens muss ich nicht die Leiter holen«, sagte er, »die ist sowieso draußen unter dem Schnee begraben.«
    Meredith lächelte. Hjerold blinzelte. Glen und Delna gingen Arm in Arm zur Theke zurück.
    »Meredith? Findest du nicht, dass sie… ich weiß nicht, behaarter aussehen?«
    Meredith warf ihm einen bösen Blick zu. »Hjerold! Psst – nicht so laut.« Sie rückte näher an ihn heran und flüsterte ihm ins Ohr: »Es war eine lange Woche. Nur weil sie nicht ganz so gründlich saubermachen, gibt uns das nicht das Recht, sie zu kritisieren. Schau dir doch mal Eddie an.«
    Eddie Wallace saß benommen vor einem leeren Glas Limonade. Sein Kopf sah aus, als sei er in Schmalz getaucht worden, und er war von einer sichtbaren Aura umgeben. Normalerweise war er ein korrekter, geschniegelter Mann von Welt. Nach drei Tagen ohne eine Dusche sah er jedoch aus, als wolle er sich für eine Freakshow bewerben.
    »Ich glaube, du hast Recht«, sagte Hjerold. »Tut mir Leid.«
    »Schon gut. Also, was wolltest du sagen?«
    Hjerold kratzte sich am Kopf. »Mmm? Ach, ja – ich habe mich gefragt, ob du mit mir nach Ottawa fahren willst um nachzusehen, ob wir nicht etwas Brauchbares im Keller der Sun finden können. Vielleicht funktionieren sogar ihre Telefone oder irgendetwas anderes, das wir benutzen könnten, um mit Deutschland Kontakt aufzunehmen. Was meinst du?«
    Meredith seufzte. »Als ob ich etwas Besseres vorhätte.« Dann fiel ihr ein, dass alle Boote, die sie auf dem Fluss gesehen hatten, entweder in Flammen standen oder zu weit entfernt waren, als dass sie hätten erkennen können, ob sie sich wie die Autos und Flugzeuge verwandelt hatten. Sie sprach Hjerold darauf an.
    »Kein Problem, Reedy«, antwortete er mit einem breiten Lächeln im Gesicht. »Ich habe ein Kanu vom Amazonas, ganz aus Holz, mit zwei Paddeln.«
    »Sollte ich überhaupt fragen, woher du…«
    »Eigentlich ist es – «
    »Schon gut«, sagte Meredith und winkte ab. »Das kannst du mir unterwegs erzählen.«
    Auf dem Weg zum Hafen erhaschte Meredith einen Blick auf Fujiko, die die Solomonstraße zurückgelaufen kam. Sie hielt den Kopf geneigt und sah aus, als habe sie geweint.
    Meredith nahm sich vor, mit Tetsuo darüber zu sprechen, sobald sie zurückkam – irgendetwas stimmte nicht. Und nach der Szene auf ihrer Veranda in der letzten Nacht war ihr nicht wohl dabei, Fuji direkt anzusprechen.
    Am Hafen half Hjerold Meredith ins Boot, das schmaler war, als sie gedacht hatte, dafür jedoch überraschend stabil. Sie nahmen die Ruder auf, stießen sich vom Ufer ab und paddelten langsam in den Dunst hinein.
     

     
    Die Fahrt über den Fluss verlief ereignislos. Der Schnee behinderte die Sicht

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