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Der unsichtbare Mond

Der unsichtbare Mond

Titel: Der unsichtbare Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A. Owen
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Er hat das Gleiche getan, als wir mit ihm durch die Stadt gingen, nachdem Wasily getötet wurde.«
    »Hey, Carl«, sagte Mel, der mit Tetsuo und einigen anderen hinausgegangen war, um den Hund zurückzuholen, »ich denke, das solltest du dir ansehen.«
    George, Hjerold und Meredith folgten den anderen durch die Tür, die Eisentreppe hinunter und über den Gang zu Mel, Tetsuo und dem Bürgermeister, die Oly davon abzuhalten versuchten, über den breiten Schreibtisch zu springen und Rod Bristol die Kehle herauszureißen.
    Als sei nichts Ungewöhnliches geschehen, musterte Rod die verwirrte Gruppe mit einem abwesenden Blick und fuhr fort, in aller Ruhe Bücher zu katalogisieren und abzustempeln.
    Wie am Vortag war er adrett gekleidet: Er trug einen grau und rosafarbenen Nadelstreifenanzug mit einem zweireihigen Jacket. Allerdings waren seine Haare ungekämmt, seine Brillengläser gesprungen und jeder sichtbare Zentimeter seiner Haut von einem borstigen, schwarzen Fell bedeckt.
    Außerdem roch es im Raum nach Schafen.
    »Meine Herren«, sagte Bristol, »ich fürchte, Hunde sind in der Bibliothek nicht erlaubt.«
    »Du Scheißkerl!«, brüllte Carl. »Du hast mein bestes Schaf gerammelt! Meine Nellie!«
    »Also Carl«, hob der Bürgermeister an, »Oly hat nur einen Fehler gemacht, das ist alles.«
    »Nellie?«, fragte Bristol. »Ist das die mit den Glöckchen? Sie ist sehr flauschig, wirklich.«
    Es dauerte einige Sekunden, bis alle im Raum ihre Verblüffung überwunden hatten, und einige weitere Sekunden, bis es ihnen gelang, Carls Hände von Bristols Kehle zu zerren. Als sich alle wieder beruhigt hatten und Carl Cole und Rod Bristol gebändigt waren, meldete sich Mel Hansen als erster zu Wort. »Du, du meinst, er hat mit deinem Vieh…?«
    »Ich habe nicht eine einzige Kuh angefasst!«, brüllte Bristol. »Ich bin ja kein Perverser!«
    »Donnerwetter«, sagte der Bürgermeister.
    »Donnerwetter«, wiederholte George Daves, Olys Halsband fest im Griff.
    »Hunderttausend Höllenhunde«, sagte Oly, der immer noch in Angriffshaltung auf dem Boden kauerte.
    Das brachte alle zum Schweigen.
     

     
    Er hatte keine Ahnung.
    Und dennoch: Bristol hatte all diese schrecklichen Dinge getan, daran bestand kein Zweifel. Da er jede seiner Handlungen für vollkommen normal hielt, zögerte er keineswegs, sie jedem, der sich in Hörweite befand, mit allen entsetzlichen Einzelheiten zu schildern. Aus seiner Perspektive war die Tatsache, dass er seine Tage mit dem Sortieren und Katalogisieren von Büchern verbrachte und in seinen Nächten intime Beziehungen zu Schafen pflegte, ein und dasselbe. Er konnte nicht im Mindesten begreifen, warum dieser Zeitvertreib von der Stadt nicht gebilligt oder gar zu einem Volkssport erklärt wurde.
    Die letzte Bemerkung brachte ihm eine ordentliche Tracht Prügel ein. Der Bürgermeister ließ Carl sogar Nellie holen, damit sie ihn ebenfalls ein wenig herumstoßen konnte. Während sie ihn verprügelten, nahmen sie ihn über die Tierverstümmelungen, die vermissten Menschen und besonders die vermissten Kinder ins Verhör, doch er leugnete, irgendetwas darüber zu wissen. Natürlich glaubten sie ihm nicht und verprügelten ihn nur um so heftiger. Meredith war überzeugt, dass er mit dem ganzen anderen Kram nichts zu tun hatte. Wenn sie über die Schaf-Geschichte nachdachte, traute sie es ihm allerdings durchaus zu.
    Sie lynchten Bristol um fünf nach zwölf. Der Bürgermeister hielt eine kurze Rede und die Jennings Band (mit Ausnahme der Mitglieder, die verschwunden waren) kam mit dem Tieflader und spielte ›Memories‹ aus CATS. Danach gingen alle ins Soame’s hinüber, um heiße Limonade zu trinken.
     

     
    Nachdem alle im Cafe Platz genommen hatten, fiel Meredith auf, dass Hjerold und Shingo nicht mehr bei ihnen gewesen waren, seit Oly sie in die Bibliothek geführt hatte. Dann erinnerte sie sich, dass sie gesehen hatte, wie Shingo Hjerold von den Männern wegzog und ihn in das Magazin führte. Meredith nahm an, dass Shingo wahrscheinlich etwas gefunden hatte und Hjerolds Meinung dazu hören wollte. Schließlich hatten sich die Instinkte des Reporters bisher bei einigen ziemlich weit hergeholten Themen als erstaunlich sicher erwiesen. Es gefiel ihr, dass Shingo auf Hjerold zuging. Da er zweimal so alt war wie Shingo, waren sie nie enge Freunde geworden, doch Meredith legte Wert darauf, dass sie miteinander auskamen, denn ihr Interesse an beiden, persönlich und anderweitig, war längerfristiger

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