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Der unsichtbare Mond

Der unsichtbare Mond

Titel: Der unsichtbare Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A. Owen
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zusammen, wie es sich für Nachbarn gehört. Schließlich wollen wir aus der ganzen Sache schlau werden, und das ist es doch, was zählt.«
    Alle nickten zustimmend und nippten an ihren Kaffeetassen und heißen Limonaden. Draußen fiel dichter Schnee.
     

     
    Im Nachhinein stellte Meredith fest, dass sie wohl insgeheim gehofft hatte, man würde Rod Bristol dazu bringen, sich zu all den Gräueltaten und Entführungen zu bekennen. Sie hegte immer noch eine heimliche Furcht, dass sie es gewesen sein könnte. Auch wenn sie nicht unter Gedächtnisverlust oder Ähnlichem litt (jedenfalls nicht seit Anfang der Woche), schien es ihr doch zuweilen, als seien ihre Gedanken ein wenig vage und vielleicht nicht ganz ihre eigenen. Was nicht heißen soll, dass nicht sie es war, in deren Kopf sie entstanden! Vielmehr hatte sie das Gefühl, als stammten sie nicht von ihr, in etwa wie das geistige Äquivalent zu einer Organverpflanzung oder einer angenähten Hand: ein Körperteil, das zu dir gehört, sich wie dein eigenes anfühlt, doch seinen Ursprung nicht in dir hat. Und wenn sie dieses Gefühl hatte, wer sagte dann, dass sie nicht auch Dinge tat oder dachte, an die sie sich nicht erinnern konnte? Wenn sie diesen Menschen nun etwas Furchtbares angetan hatte? Menschen, die ihre Freunde und Nachbarn waren? Wenn sie nun diejenige war, die Rinder und Vieh getötet hatte? Zumindest wuchs Meredith kein Fell, so wie Bristol. Sie fragte sich jedoch, wie er ausgesehen hätte, wenn die Verwandlung hätte fortschreiten können. Dafür aber war es nun zu spät.
    Meredith beschloss, so viel Zeit wie möglich mit anderen Menschen zu verbringen. So unwahrscheinlich es war, dass sie einige dieser furchtbaren Dinge tun würde – es wäre noch unwahrscheinlicher, wenn sich Tetsuo oder Shingo in ihrer Nähe aufhielten. Außerdem gab es keinen Grund irgendwo anders hinzugehen, denn sie wollte das wenige verfügbare Tageslicht dazu nutzen, mit Hjerold an ihren Recherchen zu arbeiten. Die Nächte plante sie mit Shingo zu verbringen. Sie würde ohnehin den größten Teil der Zeit hier bleiben, und wenn sie zu Hause war, dann gab es ebenfalls keinen Grund auszugehen – der junge Billy Burton hatte eine Menge Fleisch auf den Knochen. Sie würde den Kühlschrank einige Tage lang nicht auffüllen müssen.
     

     
    »Meredith, du wirst nicht für möglich halten, was Shingo und ich herausgefunden haben!«
    Hjerold kam in die Haupthalle geeilt, als Meredith Delna gerade dabei half, weitere Kessel mit Wasser zu füllen. Er hatte offensichtlich etwas Bedeutendes entdeckt. Sie hatte ihn seit dem Vorfall mit dem mexikanischen Staatsstreich nicht mehr so aufgeregt gesehen. Doch es war weniger freudige Erregung, als vielmehr Bangigkeit – und vielleicht ein wenig Furcht?
    Shingo hatte sein Versprechen, sich mit Hjerold zu versöhnen, eingehalten und vorgeschlagen, dem Zen-Journalisten freien Zugang zur Bibliothek der Kawaminamis zu gewähren, um die Recherchen der Gruppe besser voranzutreiben. Er hätte ihm keine größere Freude machen können: Hjerold wäre nicht glücklicher gewesen, wenn man ihm mitgeteilt hätte, er sei der neue König von Preußen. Außerdem rechnete sich Shingo aus, dass der Aufwand sich später auszahlen würde – Meredith würde ihm wiederholt ihre Dankbarkeit erweisen.
    Hjerold und Shingo hatten damit begonnen den Abfallhaufen der Kawaminamis zu durchwühlen, der seinen Namen wirklich nicht verdient hatte. Bristol hatte ein Ankaufsystem eingeführt, das doppelte oder aussortierte Bücher privater und wissenschaftlicher Bibliotheken aus aller Welt umfasste. Und da die Kawaminamis eine Prämie für Stücke zahlten, die ihnen gefielen, bemühte sich jeder, der sowohl einen Überschuss an Büchern als auch einen ständigen Bedarf an Geldern hatte – Universitäten etwa – um ihre Gunst, indem sie ihnen regelmäßig ganze Kisten mit allen erdenklichen Handschriften und Druckerzeugnissen schickten. So kam es, dass sich an den Wänden der Leseräume ständig einige Dutzend Kisten mit literarischen Antiquitäten aufreihten. Einer Eingebung folgend, hatte Shingo die Liste der letzten Sendungen durchgesehen und entdeckt, dass vor weniger als einem Monat eine Kiste von der Universität Wien eingetroffen war – von Michael Langbeins Universität. Überdies fand er heraus, dass die entsprechende Anordnung von einem der Vizerektoren der Universität genehmigt worden war – von Mikaal Gunnar-Galen, dem angeblichen Hagen höchst

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