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Der unsichtbare Mond

Der unsichtbare Mond

Titel: Der unsichtbare Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A. Owen
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Leben.
    Glen schien bewusstlos zu sein, doch seine Brust hob und senkte sich. Von Shingo konnte Meredith keine Spur erkennen. In den unteren Geschossen der Halle wirbelte immer noch dichter Rauch umher. Sie hatte weder Lust noch die Kraft dazu, hinunter zu klettern und nach ihm zu suchen. Das Feuer war von den Mauern der Haupthalle, die im Wesentlichen zum Originalgebäude gehörten, gut eingedämmt worden. Das aus einer fünfzig Zentimeter dicken Lehm-, Stein- und Ziegelschicht bestehende Gemäuer hatte die Hitze zurückgehalten, so dass der Rest des Gebäudes beinahe unversehrt geblieben war.
    Über ihr, wo die Hitze sich aufgestaut hatte, warfen die Farben von Tetsuos Werk Blasen und blätterten ab. Einige waren geschmolzen und rannen herab – die ganze Schöpfung Gottes von Michelangelo Buonarotti und Tetsuo Kawaminami sammelte sich und bildete einen formlosen Brei rußiger Farben.
    Meredith versuchte zu entscheiden, ob es weniger schmerzvoll wäre, zum Boden hinunter zu klettern oder sich einfach seitwärts herunterfallen zu lassen, als eine Stimme aus der Dunkelheit und dem Rauch unter ihr aufstieg.
    »Ich erinnere mich noch daran, wie du in Silvertown angekommen bist. Ich wusste ein wenig über dich von meinem Vater und dem, was Wasily meinen Eltern über die Tochter erzählte, die er nie zu Gesicht bekommen hatte. Aber als ich dich sah, in dieser ersten Woche… Du warst gerade aus dem Krankenhaus zurückgekehrt und lagst in dem Spezialbett, das in deinem Wohnzimmer aufgebaut worden war. Meine Mutter und mein Vater waren bei dir gewesen, um dir beim Einräumen zu helfen, dir Essen zu bringen und alles mögliche, doch sie hielten es für das Beste, wenn ich dich nicht besuchte, bis du wieder bei Kräften warst. Ich war von der Schule nach Hause gelaufen, auf dem Weg zum Laden, als ich zufällig bei dir vorbeikam und durch das vordere Fenster einen Blick auf dich erhaschte. Du hast seltsam ausgesehen, wie du eingegipst dagesessen hast – mich, als gesunden, jungen Mann interessierte jedoch mehr das T-Shirt, das du oberhalb der Gipsform trugst. Deine Brüste waren das erste, an das ich mich erinnere, abgesehen von der Gipsform – die Wölbung, die an deinem Brustbein anfängt, und zur perfekten Form von Tränen ausläuft, die Linie deiner Brustwarzen, die durch das Shirt hervortraten. Als du das Shirt über den Kopf gezogen hast, um dir ein frisches anzuziehen, wäre ich auf der Straße beinahe explodiert. Da wusste ich, dass ich dich wollte, selbst wenn ich dich nicht haben konnte. Ich wollte, dass du mir gehörst, obwohl ich es lange Zeit unterdrückt habe.«
    Meredith konnte ein schmerzerfülltes Kichern nicht unterdrücken. »Du hast genau so lange widerstanden, bis ich aus der Gipsform herauskam, du Arschgeige«, sagte sie und zog sich auf die Seite, um besser unter das Gerüst schauen zu können. »Kaum zwei Monate später haben wir miteinander geschlafen.«
    »Ja«, sagte Shingo und trat von der Stelle, an der die Theke gewesen war, in das schwache Licht der Glut. »Aber ich wusste, dass es früher oder später vorbei sein musste, bis ich etwas gefunden habe…«
    »Das Buch.«
    Er neigte neugierig den Kopf. »Buch? Hat Herold dir davon erzählt?«
    »Nein. Mr. Janes hat es gefunden und wir haben darüber gesprochen, bevor du ihn ermordet hast.«
    »Ah. Du hattest also keine Gelegenheit, den Rest der Kiste zu untersuchen?«
    »Und die werde ich – dank dir – auch nie wieder haben.«
    »Gib mir nicht die Schuld, Meredith«, spottete Shingo und warf einen Blick zu Glen hinauf, der noch immer bewusstlos war. »Ich war es nicht, der Troll-Boy da oben gesagt hat, er soll das Haus niederbrennen.«
    »Eines verstehe ich nicht, Shingo«, sagte Meredith. »Was hat die Kiste mit uns zu tun? Wie kann etwas, das du in einer Bibliothek gefunden hast, plötzlich unsere Heirat möglich machen?«
    Ein verschlagener Blick huschte über sein Gesicht. »Würde es dich interessieren, dass es um deinen Vater geht, oder sollte ich sagen: Wasily?«
    »Was ist mit ihm?«
    »Er ist gar nicht dein Vater.«
    »Und?«
    Das nahm ihm den Wind aus den Segeln. »Du weißt es schon? Woher?«
    »Ted hat es mir erst gestern Abend erzählt. Wasily hat es ihm gesagt, an dem Abend bevor er starb.«
    Shingo dachte darüber nach und kaute auf seiner Lippe.
    »Das ist gut«, sagte er und verschränkte die Arme. »Dann ist alles vorbei und erledigt, und es ist jetzt auch nicht mehr wichtig.«
    »Was hat die Frage, ob Wasily mein wirklicher

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