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Der unsichtbare Turm

Der unsichtbare Turm

Titel: Der unsichtbare Turm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nils Johnson-Shelton
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einziges Verteidigungsmittel auf.
    Die Klinge durchschnitt das Wasser und für einen Moment wurde alles schwarz.

Kapitel 12
    IN DEM ARTIE SICH MIT DEM HEISSSPORN EXCALIBUR
BEKANNT MACHT
    Langsam wich die Schwärze, wie bei einer Aufblende im Film.
    Artie kniete im Boot und klammerte sich am Bootsrand fest. Sein Gesicht war immer noch zu einer Maske aus Angst und Eile erstarrt.
    Er lockerte seinen Griff und entspannte das Gesicht.
    Dann blinzelte er.
    Ein Gefühl der Ruhe überkam ihn.
    Als er auf den See blickte, kam ihm die Oberfläche seltsam vor. Sie war unbewegt. Oder doch – sie bewegte sich. Nur sehr, sehr langsam.
    Auch das Boot bewegte sich sehr langsam, während es zunehmend weniger schwankte.
    Die Zeit stand beinahe still.
    Artie sah zu den anderen.
    Kay saß auf ihrer Planke, ihr Gesicht strahlte Angriffslust aus. Vorpal machte sich gerade bereit, in die Luft zu springen und anzugreifen. Däumling hatte sich zu voller Größe aufgerichtet. Er hielt sein Schwert mit beiden Händen über sich. Sein Mund war in Rage aufgerissen und seine Augen sprühten Funken wie explodierende Sterne. Er sah sehr heldenhaft aus.
    Artie sah gen Himmel. Und da war er. Ein großer grüner Drache. Hell und schimmernd, wo das Licht auf seine Umrisse traf, dunkel und unheilverkündend auf der Unterseite, die auf sie zuraste.
    Oder dabei gewesen war, auf sie zuzurasen. Wie alles andere, war der Drache beinahe vollkommen bewegungslos.
    Artie betrachtete das prächtige Wesen genauer. Es hatte rubinrote Zähne und seine goldenen Hörner waren gewunden wie die eines Widders. Seine Flügel sahen kräftig, aber klein aus. Sie schienen kaum groß genug zu sein, um den Drachen in der Luft zu halten. Es wirkte mehr so, als würde er durch die Luft schwimmen. Das sah unglaublich aus.
    Doch am beeindruckendsten waren die Augen der Kreatur. Ihre schwarzen Pupillen waren schlitzförmig wie die einer Katze und die gestreifte Iris war eine einzige Farbexplosion. Wenn man sie entlangwanderte, traf man auf jeden Farbton der Palette – von strahlendem Blau über tiefstes Grün bis zu feurigem Orange.
    Der Drache hatte Regenbogen in seinen Augen.
    Das erinnerte Artie an seine Schwester, mit ihrem blauen und grünen Auge, und ließ ihn wieder ein wenig mehr Herr seiner Sinne werden.
    Eigentlich hatte er doch gerade etwas tun wollen.
    Er erinnerte sich daran, »Excalibur!« geschrien zu haben, und wandte sich wieder dem Wasser zu, aus dem nun auf einmal zwei Schwerter gerade in die Höhe ragten. Gehalten wurden sie von zwei hellblauen Händen.
    Er sah ins Wasser. Ein Mädchen, das nicht älter zu sein schien als fünf oder sechs, starrte zurück. Ihre klaren grauen Augen waren unter der Wasseroberfläche geöffnet. Ihre Lippen, ihre Wangen, ihr Haar – alles war blau. Sie lächelte.
    »Meine Güte, Artus, wie sich Euer Gesicht verändert hat«, tönte es aus den Wellen.
    Artie wusste nicht, wie er das verstehen sollte.
    »Mein alter Freund. Nehmt, was Euch gebührt. Nehmt beide. Haltet sie.«
    Artie sagte: »Äh, okay. Aber was ist mit dem Drachen?«
    »Sorgt Euch nicht, mein Freund. Nehmt, was das Eurige ist. Dann wird alles klar und deutlich werden.«
    Sie hielt die Schwerter noch weiter nach oben. Artie streckte die Hände aus und ergriff jedes an seiner Klinge.
    Cleomedes war kalt und kampfbereit.
    Excalibur war eine Offenbarung.
    Die Klinge bestand aus gewässertem Stahl und war ungefähr fünfzehn Zentimeter länger als die von Cleomedes. Sie hatte nur eine Hohlkehle und war auf beiden Seiten mit goldenen, ineinander verschlungenen Schlangen verziert. Um die Konturen der Schlangen herum verlief ein lateinischer Schriftzug: Tolle me stand auf der einen Seite und Iacta me auf der anderen. Seine Parierstange sah aus wie aus marmoriertem Gold und Platin, sein Griff war groß genug für zwei Hände und mit edlem, leuchtend blauem und rotem Band umwickelt. Der Knauf bestand aus einer perfekt geformten Glaskugel, in der wiederum eine kleinere, tiefschwarze Kugel schimmerte, die aussah wie ein Augapfel.
    Als Artie Excalibur ergriff, durchfluteten ihn Wellen der Erkenntnis. Die Informationen waren deutlich und verwirrend zugleich. Er sah den jungen Merlin mit dem alten Artus. Er hörte Dutzende verschiedene Sprachen, konnte aber kaum eine davon verstehen. Er sah Tom Däumling am Tag seines zehnten Geburtstags, wie er auf einer Gans zum Markt ritt. Er sah, wie Bercilak jeden in einen Kampf verwickelte, der irgendwie daran interessiert war. Er sah

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