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Der unsichtbare Turm

Der unsichtbare Turm

Titel: Der unsichtbare Turm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nils Johnson-Shelton
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Lärm an.
    »Wandertauben!«, schrie Däumling zurück.
    Die Tiere stiegen ununterbrochen von den Bäumen auf, als wäre der Wald ein Wasserhahn, aus dem Vögel herausströmten. Sie bewegten sich schnell, und in kaum einer Minute hatten sie den Großteil des Sees bedeckt.
    Dann erfüllte ein grauenerregendes Kreischen über ihnen die Luft und der Argentavis magnificens durchbrach federstiebend die Masse der Vögel, machte drei Flügelschläge und schwang sich wieder in die Höhe. Der Schwarm nahm kaum Notiz von dem fliegenden Monster. Es schien ihn nicht zu kümmern, dass der riesige Vogel seine Mitglieder buchstäblich bissenweise vom Himmel pickte.
    Artie versuchte, das Massaker über ihnen nicht zu beachten und sah wieder nach vorne – genau in dem Moment, in dem der Bug des Kanus gegen die Boje stieß. Sie schrammten an ihr entlang und Däumling und Kay warfen ein Seil aus, um das Kanu im immer stärker werdenden Gegenwind an der Boje festzumachen.
    Arties Herz schlug schneller.
    Er hob Cleomedes vom Boden des Kanus auf, lehnte sich über den Rand und tauchte die Klinge in voller Länge ins Wasser. Dann zog er sie wieder heraus. Der Himmel verdunkelte sich. Arties Blick glitt über die Oberfläche des Sees, wo sich inzwischen schaumgekrönte Wellen aufbauten und brachen.
    Er wendete Cleomedes und hielt das Schwert jetzt an der Klinge. Dann streckte er es vor sich aus. Das Boot begann zu schaukeln und gegen die Boje zu schlagen.
    Artie klopfte einmal seitlich an die Boje. Ein dumpfes Geräusch erklang. Er zählte bis drei.
    Der Himmel wurde jetzt schwarz und er wusste nicht, warum. Seine Hände kribbelten.
    »Beeil dich, Bursche!«, schrie Däumling.
    Wieder schlug er den Schwertknauf gegen die Boje. Während er zählte, schaute er wieder nach oben.
    Der Vogelschwarm löste sich plötzlich auf, indem er vom Zentrum aus in alle Richtungen aufbrach. Der riesige Vogel blieb alleine zurück und sein Kopf zuckte nervös.
    Artie stieß das Schwert ein drittes Mal gegen die Boje. Cleomedes wurde heiß in seiner Hand.
    »Artie, beeil dich!«, schrie nun Kay.
    Über ihnen erschallte ein Geräusch wie das einer explodierenden Bombe. Es war ein lautes, hohles Geräusch von schlagenden Flügeln, das sehr viel schlimmer war als das des Argentavis magnificens.
    Artie sah nach oben und erblickte einen grün schimmernden Drachen, der sich über ihnen durch die Luft schlängelte. Er bedeckte praktisch den ganzen Himmel.
    Kay rief aus: »Was zum …?«
    Dann stieß der Drache hinab. Der riesige Vogel war vom Jäger zur Beute geworden.
    Er wich aus. Seine Flügelspitze streifte kurz die Wasseroberfläche, dann flog er dicht über dem Wasser direkt auf das Kanu zu.
    Artie hielt Cleomedes in die Höhe und versuchte sich daran zu erinnern, was er als Nächstes tun sollte. Doch es fiel ihm einfach nicht mehr ein.
    Der Argentavis magnificens flog dicht über sie hinweg, seine greifvogelartigen Klauen streiften die Boje und erschütterten heftig das Kanu. Alle griffen nach dem Bootsrand und klammerten sich verzweifelt fest.
    Sich wie eine Schlange durch die Luft windend, glitt der Drache über sie hinweg. Artie fand, dass er eher einem chinesischen Drachen ähnelte, nicht einem »typisch europäisch« geprägten, wie er in Mittelerde vorkommen könnte. Das machte ihn allerdings nicht weniger furchterregend.
    Der Riesenvogel hatte Angst – doch nicht lange, denn im Nu hatte die schlangenartige Kreatur ihn vom Himmel gepickt. Der Drache machte grausige gurgelnde Geräusche während er seine Beute in einem Stück herunterschluckte und sich die mächtigen gefiederten Flügel des Vogels im Maul des Drachen zusammenfalteten.
    Sie waren wie gelähmt.
    Der Drache leckte sich die Lippen. Sie konnten die massigen Umrisse des Vogels, der sich noch immer bewegte, im schuppigen Bauch der Bestie erkennen. Für einen kurzen Moment schien das Monster zufrieden.
    Doch dann sah es sie geradewegs an und stieß ein Heulen aus, das ihre Herzen genauso erschütterte wie ihre Trommelfelle.
    Der Drache bereitete sich auf einen weiteren Sturzflug vor.
    Däumling zog sein Schwert und brüllte: »Frag nach dem Schwert, Junge!«
    Artie war wie gelähmt. Sollte er wirklich die einzige magische Klinge im Boot in einem Moment wie diesem wegwerfen?
    Kay schrie. Das Kaninchen hatte die Ohren über seine geplagten Augen gelegt und kreischte genauso.
    Artie hob Cleomedes empor, schrie »Excalibur«, und warf das Schwert in die Tiefen des Sees. Und gab damit sein

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