Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der unsichtbare Turm

Der unsichtbare Turm

Titel: Der unsichtbare Turm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nils Johnson-Shelton
Vom Netzwerk:
gewöhnten.
    Der Laden war eng, hatte aber eine hohe Decke. Vor Artie erstreckten sich drei Reihen mit hohen Regalen. An einem der Regale war ein großes Schild angebracht, auf dem in silbernen Lettern stand:
    Ladendiebe werden bestraft.
Unzufriedene werden verbannt.
Getreue werden gesegnet.
Die Geschäftsführung
    Irgendetwas an den Buchstaben ließ die Botschaft ernst gemeint wirken. Artie konnte sich nicht vorstellen, dass im Unsichtbaren Turm sehr häufig gestohlen wurde, wenn überhaupt.
    Er ging umher und berührte die Regale und die Rücken der Bücher und Comics mit Ehrfurcht. Alles war vollgestopft und nicht immer war eine klare Ordnung zu erkennen. Leise, keltisch klingende Musik erklang blechern aus Lautsprechern hinter den Regalen.
    Artie fiel plötzlich wieder ein, warum er hier war. Er ging weiter in den Laden hinein und suchte nach dem Videospiel-Zubehör.
    Auf der rückwärtigen Seite des Ladens befand sich ein Ladentisch mit Kasse, wie er ihn noch nie gesehen hatte. Anstelle der üblichen hüfthohen Vitrine mit einfacher Registrierkasse darauf, stand dort ein massiver ebenholzschwarzer Tisch, der ganz offensichtlich antik war. Seine Beine waren zu Pferdebeinen geschnitzt, mit Hufen, Muskeln, Sehnen und allem, was dazugehörte. Auf dem Tisch standen eine gewaltige, prunkvolle Registrierkasse, eine Messing-Tischglocke und eine Literflasche Wasser. Daneben lag ein ganz normal aussehendes Geschäftsbuch.
    Hinter dem Tisch war niemand. Artie trat einen Schritt vor, um die Glocke zu läuten, und in dem Moment fiel sein Blick auf sie.
    In einem abgeschlossenen Glaskasten zu seiner Rechten lagen die verzierten Videospiel-Controller. Es gab einen für die Playstation, der mit Schlangenleder überzogen war, und einen feuerwehrroten. Dann einen getigerten für die Xbox, der Katzenaugen als Knöpfe hatte, außerdem einen pinkfarbenen mit orangefarbenen Flammen und einen glitzernden lilafarbenen mit silbernen Knöpfen. Es gab auch mehrere Kisten mit Standard-Controllern, die noch ungeöffnet waren. Doch über all diesen, in der obersten Vitrine, lag ein leicht schimmernder, goldener Xbox-Controller, der tatsächlich aussah, als sei er aus Metall. Seine Knöpfe waren pechschwarz und das Verbindungskabel war mit rotem Samt überzogen. Das war zweifellos das coolste Gerät, das Artie je gesehen hatte. Davor lag ein kleines Schild, auf dem in goldener Handschrift »Reines Ausstellungsstück« stand.
    »Ähem.«
    Artie drehte sich um. Hinter der Ladentheke stand ein alter Mann in einem roten Langarm-Shirt und einer Pluderhose aus Leinen. Er war kleiner als Artie und so dünn wie Kynder, hatte aber einen kleinen Bauch, der sein T-Shirt ausfüllte. Seine Haut hatte tiefe Falten, sah jedoch sehr gesund aus. Er hatte eine runde Brille auf, einen runden, flachen Filzhut, und seine Koteletten lockten sich bis unters Kinn. Dazu trug er eine lange Kette mit einer Art hölzernem Anhänger, der schwer aussah.
    Der alte Mann lächelte wie ein Buddha und Artie ging unwillkürlich auf ihn zu. Als er näher kam, erkannte er, dass die tiefen Falten im Gesicht des Mannes in Wirklichkeit ein Gewirr von schwarzen Tattoos waren, die sich in alle Richtungen überschnitten.
    »Dir gefällt, was du siehst, hm?« Seine Stimme war klar und kräftig.
    »Äh, ja. Ich war vorher noch nie in so einem Laden.«
    »Ja, es ist schon ziemlich cool hier, würde ich sagen.« Er lachte leise und stützte seine Hände flach auf den Tisch.
    »Ich, äh, wollte fragen …«
    »Der goldene? Ein reines Ausstellungsstück, genau wie es dort steht.«
    »Heißt das, dass Sie noch mehr von denen haben, die verkäuflich sind?«
    Der Mann sah auf den Tisch und lachte wieder leise. Ohne aufzublicken sagte er: »Nein, ich fürchte nicht, Kind. Aber darf ich dich auch etwas fragen?«
    »Ähm, ja, klar. Und ich bin übrigens schon fast dreizehn. Ich bin eigentlich kein Kind mehr.«
    »Ah, entschuldige bitte. Durch meine Augen betrachtet scheint jeder ein Kind zu sein. Meine Frage ist folgende: Dürfte ich versuchen, deinen Namen zu erraten?«
    Das war seltsam, aber na ja – warum nicht? »Okay. Schießen Sie los.«
    »Ausgezeichnet.« Der Alte verschränkte seine Finger ineinander, schloss die Augen und wippte leicht vor und zurück. »Hm, ja. Ich glaube, du hast einen königlichen Namen. Einen alten englischen. Nicht Charles. Auch nicht Henry oder James. Edward? Nein, nein. Ich glaube, er beginnt mit A.« Artie spürte, wie sich seine Hände vor Anspannung

Weitere Kostenlose Bücher