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Der unsichtbare Turm

Der unsichtbare Turm

Titel: Der unsichtbare Turm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nils Johnson-Shelton
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versteckt ist wie, nun ja, ein Osterei. So schwer Easter Eggs auch zu finden sind – normalerweise muss man im Internet nachforschen, um überhaupt eine Chance zu haben, sie aufzustöbern – sie sind für alle da. Wie konnte es also sein, dass Art sein eigenes Easter Egg in Anderswelt hatte?
    Ebenso eigenartig war, dass die Nachricht, die T.D. gepostet hatte, privat war – nur Artie konnte sie lesen.
    Er klickte auf Antworten und schrieb einfach nur: Hä?!
    Nach zwanzig Sekunden kam die Antwort: Art, es hat begonnen. Finde dein Easter Egg. Es ist bei Caladirth. Das ist deine Pflicht. Ich habe bereits mehr gesagt, als ich sollte. Geh zu deinem Ei, finde deine Bestimmung. – T.D.
    Wovon zum Teufel redete der Kerl? Artie hatte eine Bestimmung ? In einem Videospiel ? Das war zu rätselhaft, um es zu ignorieren.
    Er loggte sich aus dem Forum aus und lief in den Videospielraum hinunter. Dort schaltete er den Fernseher ein, hob den Controller auf und beendete den Pausenmodus. Der Soundtrack lief über die Stereoanlage, während er Nitwit den Grauen von der einen zur anderen Seite von Caladirth’ Höhle bewegte und nach irgendetwas Außergewöhnlichem Ausschau hielt. Er fand nichts. Dann durchsuchte er den Schatz. Es war eine ordentliche Ausbeute und er bekam Lust, das Spiel fortzusetzen, doch auch hier stach ihm nichts ins Auge.
    »Suche an der Stelle, die am naheliegendsten ist«, hatte der Unbekannte geschrieben. Am naheliegendsten, am naheliegendsten … die Eier!
    Artie dirigierte Nitwit zu den drei großen tiefschwarzen Eiern der Drachendame. Nitwit hob eines davon auf – da war nichts Sonderbares – und legte es zurück. Er hob noch eines auf und drehte es um. Auf seiner Unterseite stand: »Zerbrich mich.« Artie schüttelte den Kopf und ließ Nitwit das Ei auf den Boden werfen. Es zerbarst in einer orange glitzernden Dunstwolke. Da war kein Drachenjunges und auch kein klebriges Eiweiß – nur Staub.
    Dann löste sich die Staubwolke auf und in der Mulde eines großen Eierschalenstücks kam ein Zettel zum Vorschein.
    Nitwit hob ihn auf und Artie wechselte in den Modus, in dem man sich den Gegenstand ansehen konnte. Er war total gespannt.
    An dem Zettel war nichts Bemerkenswertes, außer dass darauf stand: »Art. In einer Woche wirst du zu mir in den UT kommen. Du bist etwas Besonderes, Art, und ich bedarf deiner Dienste und deiner Macht. Schon lange warte ich auf dich. Dein ergebener Diener, M.«
    Moment mal. Er war etwas Besonderes? Und hatte einen Diener? Noch dazu einen ergebenen ?
    Wie bitte?
    Zwei Minuten lang blieb Artie reglos sitzen. Er fühlte sich ein wenig benommen. Der Controller rutschte ihm aus der Hand, und erst als er auf den Boden knallte, kam Artie wieder zu sich. Er las den Zettel noch einmal. Was hatte das alles zu bedeuten? Plötzlich bekam er Angst. Es fühlte sich so ähnlich an, wie wenn Finkelstein ihn mit einem Baseballschläger bedrohte und ihm das Frühstücksgeld abknöpfte.
    Er fuhr das System runter, rannte in sein Zimmer und schlüpfte unter die Decke, wo er zu dem Schluss kam, dass ihn jemand auf den Arm genommen hatte und es reiner Zufall war, dass sein Name Art war. Und dass es in Anderswelt ein Easter Egg gab, das an jemanden adressiert war, der ebenfalls Art hieß. Ja, das musste es sein. Reiner Zufall.
    Artie fiel in unruhigen Schlaf.
    Sechs Tage, nachdem er das Easter Egg geöffnet hatte – von dem er beschlossen hatte, keiner Menschenseele etwas zu erzählen – las Artie gerade ein X-Men-Comic auf seinem Bett, als das Telefon klingelte. Er bemühte sich nicht, aufzustehen, da er wusste, dass Kynder rangehen würde, der in seinem Zimmer die Koffer für ihre Fahrt zum Turnier in Cincinnati packte.
    Nach einer Pause hörte Artie ein gedämpftes, jedoch nachdrückliches »Wer?« durch die Wand, schenkte dem aber keine Beachtung. Doch dann hörte er etwas in Kynders Stimme, dass er noch nie zuvor gehört hatte: Angst. Ganz plötzlich und unbestreitbar war da Angst.
    »Meine Exfrau? Oh Gott. Du bist es.« Artie setzte sich kerzengerade auf und ließ sein Comic fallen. Ein Anruf von ihr war ungefähr so wahrscheinlich wie der eines Riesensäbelzahntigers.
    Artie kroch leise zur Wand und presste sein Ohr dagegen. »Warum um alles in der Welt rufst du mich jetzt an? Und warum hörst du dich so weit weg an? Niemand hört sich heutzutage noch weit weg an.« Kynders Angst war verflogen. Wut hatte sie ersetzt. Artie war stolz auf seinen Vater. »Das ist mir völlig egal!

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