Der unsichtbare Zweite
näher zu kommen, und dann wisperte er: »Der Papst.«
Ich erriet natürlich sofort, worum es ging, die junge Frau nicht.
»Wie meinen Sie das, Onorevole, möchten Sie ein Gratisexemplar Ihres Buches an den Papst schicken? Wir können ja fragen, was unser PR-Büro dazu meint, aber ich weiß nicht, ob der Papst ...«
»Nein«, erklärte ich ebenfalls im Flüsterton, »der Gedanke ist, den Papst zu bitten, das Vorwort zu schreiben.«
»Du hast verstanden, Slucca! Das wäre doch ein sensationeller Coup, eine Bombe, garantierte Auflage von einer halben Million!«
Beatrice schwieg, ihre Lippen bewegten sich unmerklich, als betete sie insgeheim das Schmerzensbekenntnis.
»Aber glaubst du«, fragte ich, »dass die Sache konkrete Aussichten haben könnte?«
»Und warum denn nicht, Slucca! Ich weiß, wie ich vorgehen muss, der Weg ist klar: Über Cirelli, der mir schließlich immer noch etwas schuldig ist, komme ich an Rapino heran, und Rapino weiß gut, dass er mir nichts abschlagen kann, er wird höchst aktiv werden, um die Unterstützung von Riccomagno und Di Mirto zu bekommen, die beide, über verschiedene Kanäle, Kontakte auf höchster Ebene zum Vatikan haben. Und sogar die Malvolio könnte ein Wörtchen einlegen ...« Ich sah, wie er sich im Geiste bis ganz nach hinten ins Silicon Valley klickte.
»Aber glaubst du nicht, dass der Papst diesen verlegerischen Problemen etwas, wie soll ich sagen, etwas fern steht?«
»Der Papst steht keinem Problem fern, Slucca, und in vielen Problemen ist er absolut auf einer Linie mit mir, viele meiner Ideen billigt er hundertprozentig. Er wird mir eine kleine Seite, eine halbe Seite meinetwegen, nicht abschlagen!«
»Aber dieser Priester«, gab ich zu Bedenken, »dieser Don Emilio ...«
»Aus dem mache ich einfach einen protestantischen Pastor, und fertig. Los, Slucca, krempeln wir die Ärmel hoch!«
Er nahm seinen Ausdruck wieder zur Hand, blätterte.
Auch Beatrice durchblätterte ihre Seiten, als wären sie mit Tretminen gespickt.
»Ja«, sagte sie, »aber da war auch dieses Datum, mit dem ich etwas Schwierigkeiten habe.«
»Welches Datum?«
»Hier, gegen Schluss, auf Seite ... 201 ... Hier, da ist es, 1958.«
Es war das Jahr der großen Veränderung, in dem Alexanders Mama nach Hause kam, mit ihren Reisen aufhörte, mit Großmutter und Kind den Bauernhof verließ und in die Stadt zog, in eine schöne Achtzimmerwohnung mit drei Bädern; und für den Jungen war die märchenhafte Zeit der Kindheit vorbei. Er fing an, Griechisch zu lernen und erst die rechten und linken Jugendzirkel under 10 zu frequentieren, dann die der äußersten Rechten und die der äußersten Linken - und von da an, sich seiner Bestimmung bewusst zu werden.
»Aber wo liegt das Problem?« fragte Migliarini.
»Das Problem«, sagte Beatrice, »ist das Jahr.«
»Wie meinen Sie das, entschuldigen Sie? Slucca, verstehst du, was sie meint?«
Ich hüstelte außerordentlich diskret. »Eigentlich ginge doch auch 1957«, schlug ich vor, »das würde kaum etwas ändern.«
»Oder auch 1959 ...«, meinte der (oder die?) editor.
Migliarini sah uns unter gerunzelten Brauen an. »Ich verstehe nicht, was soll denn mit meinem 1958 nicht in Ordnung sein?«
Ich fing wieder an zu hüsteln, Takt auf höchster Umdrehungszahl. »Es war ein historisches Jahr, viele Italiener erinnern sich noch gut daran«, fing ich behutsam und umständlich an. »Es war das Jahr, in dem de Gaulle zum Präsidenten der Französischen Republik gewählt wurde ... Johannes XXIII. wurde Papst ... in China gab es den großen Ruck nach vorwärts ...«
Migliarini hob die Augen zur Decke.
»Und es war auch das Jahr«, fuhr ich mit meinem Eiertanz fort, »des Gesetzes Merlin, der Schließung der Freudenhäuser ...«
»Richtig«, lächelte Migliarini, »die Puffs wurden geschlossen ... Und jetzt ist ja davon die Rede, sie eventuell wieder zu öffnen, nicht ohne gute Gründe, Slucca. Früher oder später muss auch unsere Partei diesbezüglich einen klaren Standpunkt beziehen. Wir werden uns an einen Tisch setzen und versuchen ...
Aber wo ist da jetzt der Zusammenhang mit meinem Roman, Slucca?«
»Es ist kein richtiger Zusammenhang, eher einfach eine Koinzidenz, eine vage Vermutung, auf die der Durchschnittsleser irgendwie kommen könnte, wenn wir in Betracht ziehen, dass eben alles miteinander verknüpft ist, wie du sagst.«
Migliarini blätterte zerstreut in seinen ausgedruckten Seiten, er schnallte den Punkt immer noch nicht. »Ich sehe
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