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Der unsichtbare Zweite

Der unsichtbare Zweite

Titel: Der unsichtbare Zweite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlo Fruttero
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...«
    Plötzlich war es sehr still im Caffe Greco. Kein Schlucken, kein einziges Knuspern, kein Gluckern von Flüssigkeit in einem Glas oder einer Tasse. Und ein Lächeln, breit und komplex wie eine vielspurige Autobahnausfahrt mit Überführungen, Unterführungen, Schleifen, Spiralen zeichnete sich auf Migliarinis Lippen ab. Es war ein tiefempfundenes Lächeln, das schon hundertmal gesehene typische Lächeln eines, der im Begriff ist, die Mehrheit zu verlassen und zur Minderheit überzugehen; oder umgekehrt, von einer Partei in eine andere überzutreten; oder eine eigene zu gründen.
    »Weißt du, was wir machen, Slucca?« Er schlug mit der Faust auf den Blätterstoß vor sich. »Wir fordern ihn auf seinem eigenen Terrain heraus und wischen ihm mächtig eins aus.«
    Ich kenne ihn, ich sah, worauf er hinauswollte, und versuchte, ihm die höchste religiöse Autorität entgegenzuhalten. »Und was ist mit dem Papst?«
    »Lassen wir doch den Papst, der hat schon genug Probleme. Hier«, und er schlug wieder auf die Blätter, »hier, Slucca, ist die Antwort auf Pellegatti, eine Antwort von dreihundertsechzig Grad! Der beschreibt pikante Rotlichtszenen? Gut, sehr gut, ich werde ihm zeigen, was Pornographie ist. Von wegen Ehefrau, ich kann hier die Großmutter und die Mutter einsetzen ...«
    »Alle beide?« stammelte Beatrice.
    »Sicher! A la guerre comme a la guerre! Zwei entfesselte Weiber mit einem inzestuösen Jungen, einem kleinen Fetischisten, Onanisten und Voyeur! Und dazu haben wir den homosexuellen Priester, der ...«
    »Aber war der nicht hetero?«
    »Ich hätte dich nicht für so provinziell gehalten, Slucca. Nein, das wird ein Rundumschlag von Priester, ein Pädophiler, Masochist, wahrscheinlich auch Koprophiler, und vielleicht hätte er auch mit diesen saublöden Hühnern ...«
    »Und der Bildungsroman?« erinnerte ich ihn verzweifelt.
    »Es wird eben ein hard Bildungsroman, voll auf der Linie mit der europäischen Politik zur Förderung der arbeitslosen Jugend. Und natürlich ...«
    Er fixierte mich auf diese gewisse Weise, mit der Wilhelm Teil seinen Zweitgeborenen ins Visier genommen haben muss. In der Schweiz, einem für seine Diskretion bekannten Land, spricht man wenig und nur im Flüsterton davon; aber seit Jahrhunderten zirkuliert die Legende (eine Volkssage ohne historische Belege), der zufolge der berühmte Bogenschütze, um für die entscheidende Probe zu trainieren, seinen Zweitgeborenen zu sich gerufen, ihm einen Apfel auf den Kopf gelegt, gezielt, um ein paar Zentimeter danebengeschossen und den Jungen mitten in die Stirn getroffen haben soll. So war Migliarinis Blick.
    »Nein«, sagte ich mit äußerster Deutlichkeit, »absolut nein.«
    »Das musst du doch verstehen, Slucca, ich kann mich nicht persönlich exponieren.«
    »Kommt nicht in Frage!«
    Beatrice sah uns verdutzt an.
    »Ich verhandle mit dem Verlag, und ich weise dich darauf hin, dass du fünfzig Prozent auf die Weltrechte kriegst, wie Pellegattis Frau.«
    »Nein, ich zeichne nicht für dieses Buch, ich habe nichts mit den Farnese Faliero zu schaffen, das ist nicht meine Lebensgeschichte, meine Großmutter und meine Mutter waren ...«
    »Aber das ist doch transponiert, das ist alles sublimiert, Slucca!«
    »Ich habe nichts zu sublimieren, kein einziges Huhn.«
    »Denk doch, endlich werden einmal aller Augen auf dich gerichtet sein, Slucca!«
    Ich sah die Schlagzeilen vor mir: Bombendeb üt eines neuen Romanciers: Onorevole Pornoslucca; Der Fall Slucca:
    Onorevole oder Schweinigel?; Antrag im Parlament: moralische Zensur f ür Slucca-Sade.
    »Nein.«
    »Du weiß ja nicht, was du verpasst; alle Frauen werden kommen, um sich bei dir ein Autogramm zu holen, diese Dinge faszinieren sie, Slucca. Du kannst sie zu dir nach Hause zu einem Drink einladen.«
    Ich dachte an die Zweizimmerwohnung in Monte-verde Nuovo und an Vasone, der für uns drei Nescafe machen und sagen würde: »Sie werden sehen, Signora, unser Slucca ist ein wahrer Dämon in seinem Bettchen da.«
    »Nein, ich kann einfach nicht.«
    Migliarini stand auf, raffte seine Blätter zusammen, sagte sehr kühl: »Wenn du für diesen Roman deine Verantwortung nicht auf dich nimmst, werfe ich dich aus der Partei, Slucca. Habe ich mich deutlich ausgedrückt?«
    »Aber wenn ich akzeptiere und das Buch ein Skandal wird, wirst du ohnehin auf Distanz gehen und mich rauswerfen müssen.«
    »Denk darüber nach und gib mir Bescheid«, brummte er. Er ließ mit einem endgültigen Ruck seine

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