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Der unsichtbare Zweite

Der unsichtbare Zweite

Titel: Der unsichtbare Zweite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlo Fruttero
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würde, das ... Und außerdem, was habe ich ihr denn getan?«
    »Aber sie ist doch nicht Dedes Liebhaberin, das M auf dem Bademantel ist nicht ihr Monogramm«, ereiferte sich Lauretta. »Und das Ziel warst doch nicht du, Slucca, was hast du denn verstanden? Die fragliche Frau ist ...«
    Man hörte das diskrete Fiepsen eines Handys. Dede fuhr mit der Hand in seine Tasche, Lauretta wühlte in ihrem geräumigen Beutel. »Nie«, fluchte sie, »nie, verdammt, kann man einmal ...«
    Aber es war Dedes Handy, das klingelte.
    »Neun, zwei mit Milch«, sagte eine Stimme.
    »Ich komme«, antwortete Dede. Und uns erklärte er: »Ich muss ihnen den Kaffee raufbringen.«
    »Wieso denn raufi ?«
    »In das Türmchen rauf.«
    »Und was ist in dem Türmchen?«
    Dede zuckte die Achseln. »Phh ... da ist ein Komitee, Leute, die manchmal abends hierherkommen, reden, diskutieren, worüber, weiß ich nicht ...«
    Diesmal musste ich einfach verstehen. Das waren sie, die Eigentlichen Mächte, getarnt unter wer weiß was für einem Decknamen.
    »Und wie heißt dieses Komitee?«
    »Der Achte Hügel.«
    Der Achte Hügel! Seit längerem ging schon die Rede von dieser einfallsreichen und mutigen Initiative, zu deren Beförderung sich eine internationale Elite von Urbanisten, Architekten, Landschaftsgestaltern, Umweltspezialisten, Geologen zusammengefunden hatte. Die Absicht war, die Stadt der Sieben Hügel mit einem zusätzlichen Hügel auszustatten, eine mit den heutigen modernen Baggern technisch durchaus machbare Sache. Rom sollte der Welt ein deutlich sichtbares Signal der Entwicklung und des Fortschritts geben, zeigen, dass Italien den großen Herausforderungen des dritten Jahrtausends gewachsen war. Doch es war auch bekannt, dass innerhalb des Komitees noch keine Einigkeit darüber hatte erzielt werden können, wo genau der zusätzliche Hügel entstehen sollte, wenn auch bereits zwei weit entwickelte Projekte, für einen im Norden, einen im Südwesten, vorlagen. Außer diesen inneren Divergenzen mussten auch die Langsamkeit der Bürokratie, die schwierige Finanzierung, die Feindseligkeit der ultra-reduktiven Gruppen (wenn schon, dann lieber zwei weniger!) und der ultra-expansiven Gruppen (und warum nicht zwölf, wo wir schon dabei sind?) berücksichtigt werden. In jedem Fall war das Ganze ein äußerst schwieriges, langwieriges Unternehmen und eine ideale Tarnung für die Eigentlichen Mächte, und sie konnte jahrelang vorhalten.
    »Runter mit der Jacke, Slucca!« befahl mir die junge Frau. »Und du, zieh deine aus, Dede!«
    Der Reuige hantierte schon an der Espressomaschine, um die neun Kaffees zu bereiten, und gehorchte mit offensichtlicher Erleichterung. Ich dagegen ...
    »Beeil dich, Slucca, jetzt sind wir dran!«
    Frage: Kann ich jetzt noch zurück? Objektiv gesehen, ohne weiteres. Du brauchst nur durch die Tür zu gehen, die Treppe hinunter und aus dem Haus heraus, niemand wird dich aufhalten. Wenn, dann ist das jetzt der Augenblick, um dich abzusetzen, mit dieser Einschleuse-Mission Schluss zu machen. Aber die Ehre, die tragische Geschichte mit der Ehre, die kriegt mich dran ...
    Und so ziehe ich Migliarinis Jacke aus, schlüpfe fügsam in die Jacke des zweideutigen Zimmerkellners, die das Mädchen mir reicht, und fühle mich nicht mehr türkisch, sondern trojanisch, Hektor, der die Rüstung anlegt und seinem Schicksal entgegengeht.
    »Komm, ich knöpfe sie dir zu, Slucca.«
    Oder ist es wegen des Mädchens, dass ich so sehr den Ehrenwerten gebe? Sind es die Frauen, die uns seit Anbeginn aller Zeiten drankriegen? Weil wir bewundert und auf lange Zeit geliebt werden wollen?
    »Die Espressi sind fertig«, singt Dede in Kürze, viel zu bald, und präsentiert mir ein großes Tablett mit den neun Tässchen und ihren Deckelchen darüber. Ich ergreife das Tablett wie ein Roboter, trete auf den Korridor hinaus, hinter dem Mädchen, das den Gang sogleich mit sicherem Schritt bis nach hinten durchmisst, eine kleine Tür aufmacht, eine Wendeltreppe hochzusteigen beginnt. Jede Stufe bringt mich der Katastrophe näher, aber dieses schwarze Seidencape (oder ist es aus Synthetik?) ist unwiderstehlich, ich folge ihm, laufe ihm fast nach, wobei ich achtgeben muss, meine ausgelatschten Schuhe nicht zu verlieren. Sterben für eine Gestalt, die da über mir zwischen welligen Falten hervorschimmert? Ja, Slucca ist zum Opfer bereit. Er sieht jedoch deutlich die Schlagzeilen vor sich. Geheimnisvoller Tod Onorevole Sluccas an einer Wendeltreppe. Spuren von

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