Der Untergang der Hölle (German Edition)
vorwärtszukriechen.
Sie wartete, bis keiner der Dämonen – sie konnte von ihrem Beobachtungsposten aus nun gleich drei erkennen – in ihre Richtung blickte, rappelte sich dann auf und zog sich durch die Öffnung nach oben. Jede Sekunde rechnete sie damit, dass die zerfetzten Kanten unter ihrem Gewicht nachgaben. Sie schaffte es jedoch hinauf, ohne auch nur ein verräterisches Geräusch zu verursachen, und positionierte sich an der Stelle, wo sie den Balken vermutete. Dann schaute sie sich um.
Sie war nun in einem engen Kriechgang, durch den ein großes Wasserrohr verlief (tatsächlich an der Stelle durchgerostet, die sich genau über dem Loch im Beton befand). Hinzu gesellten sich ein paar dünnere Leitungen und Stromkabel, die an den umgrenzenden Wänden des Raumes fixiert waren. Sie konnte fast in die Hocke gehen, blieb aber zunächst auf Händen und Knien. Nur ein wenig Licht sickerte durch das Loch und ein paar weitere Lücken herein, die sich in größeren Abständen vor und hinter ihr befanden. Jedenfalls musste sie sich jetzt nur noch in einer geraden Linie bewegen. Sie war sehr zufrieden mit ihrem Erfolg – bloß, wohin sollte die Reise jetzt gehen? Sie beschloss, einfach weiter in die Richtung zu gehen, die sie bereits eingeschlagen hatte, und robbte auf Händen und Knien vorwärts.
Vor ihr schien eine Lichtquelle wie ein Leuchtfeuer zu scheinen und sie wurde heller, je näher sie ihr kam – diesmal war es nicht bloß ein schwaches Glimmen durch eine eingestürzte Betonfläche. Dieses Licht ging von der linken Wand aus: Eine einzelne fluoreszierende Röhre war dort angebracht. Direkt gegenüber war eine Platte in die rechte Wand eingelassen. Eine Einstiegsluke für den Kriechgang, daran gab es keinen Zweifel. Misstrauen regte sich in Vee, zugleich hoffte sie aber, in einen Abschnitt zu gelangen, wo sie aufrecht gehen konnte und vielleicht eine sichere Zuflucht fand, um sich auszuruhen. Da sie schon tot war, konnte sie zwar nicht sterben, fühlte sich aber trotzdem erschöpft.
Diese Zugangsplatte war keine typische Metallluke, wie sie schnell herausfand, sondern eine Schicht aus dickem, transparentem Plastik, mehr Fenster als alles andere. Seine Oberfläche war matt und gewellt, um Licht hereinzulassen, man konnte jedoch umgekehrt nicht hindurchsehen. Vee blickte von der Plastikscheibe zur fluoreszierenden Röhre und wieder zurück zum Fenster. War dies eine primitive Sicherheitsmaßnahme – die Silhouette eines Fremden war im Fenster zu sehen, während er selbst nichts erkennen konnte? Aber Vee hatte schon bedrohlichere Situationen erlebt, seit sie aus ihrem langen mentalen Winterschlaf erwacht war. Ihre Neugier war zu groß, um einfach unverrichteter Dinge an dem Fenster vorbeizugehen. Also legte sie Jay neben ihrem Knie ab und probierte, ob sich das Fenster öffnen ließ. Es ließ sich nicht klappen, war aber auch nicht festgeschraubt. Sie konnte die Platte zur anderen Seite herausdrücken und trotzdem festhalten, sodass sie nicht lärmend hinunterfiel.
Sie verkrampfte sich und erwartete, von Gewehrsalven empfangen zu werden. Nichts dergleichen geschah. Stattdessen blickte sie in eine kleine Kammer mit geschlossener Tür. Tatsächlich war es ein Badezimmer. Direkt unter ihr befand sich eine Toilette.
Eine Toilette? Die Verdammten (und Engel wie sie, die in die Hölle eingedrungen waren, um die Rebellenarmeen der Verdammten zu bekämpfen) mussten nicht essen, auch wenn man immer noch das Bedürfnis verspürte und eine Mahlzeit durchaus genoss. Glücklicherweise gab es verschiedene Arten von Essbarem, die gefunden oder hergestellt werden konnten. Aber niemand in der Unterwelt ging anschließend aufs Klo. Klar, manche Dämonen schissen, aber eigentlich nur, um eingeschüchterte Gefangene mit ihren stinkenden Fäkalien einzureiben oder sie in großen Bottichen zu sammeln und ihre Opfer hineinzutauchen. Eine Toilette für eine besondere Dämonenrasse also?
Vee lehnte sich ins Innere der Kammer hinein und legte die plastikartige Fensterscheibe so leise wie möglich auf dem geschlossenen Klodeckel ab. Dann zwängte sie ein Bein durchs Fenster und stieg auf den Spülkasten, bis sie den Rest ihres Körpers hindurchquetschen konnte. Etwas eng, aber sie war schlank genug. Als sie mit den Füßen auf dem gekachelten Badezimmerboden stand, zog sie Jay hinterher und drückte die Fensterscheibe vorsichtig an ihren Platz zurück.
Sie hörte kein Geräusch hinter der geschlossenen Tür. Offensichtlich war
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