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Der Untergang der Hölle (German Edition)

Der Untergang der Hölle (German Edition)

Titel: Der Untergang der Hölle (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey Thomas
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Pixelschnee. Keiner von den dreien schien ins Netz eingeklinkt zu sein. Vee fragte sich, ob es sich um eine weitere Attrappe handelte.
    Keiner der drei rührte sich vom Fleck. Sie konnte die Gesichter des Mannes und des Kindes nicht genau erkennen, aber die Augen der Frau standen offen und blinzelten nicht. Ihre Zeichenhand war auf dem Block eingefroren. Sie hätten ebenso gut Schaufensterpuppen in einem Kaufhaus sein können.
    Vee trat zu ihnen heran, blieb jedoch auf der Hut vor einer Falle oder einem Hinterhalt und hielt Jay immer noch angriffsbereit von sich gestreckt. Sie näherte sich dem Mann im Sessel weit genug, um seine offenen, glasigen Augen und den Schnee auf dem Monitor zu sehen, der sich in ihnen spiegelte.
    »Hallo?«, versuchte sie sich bemerkbar zu machen. »Entschuldigung?«
    Keine Antwort. Sie widerstand dem Drang, den Arm auszustrecken und ihn zu schütteln. Stattdessen beugte sie sich zu der Frau hinunter. »Hey«, sagte Vee. »Können Sie mich hören?« Die Frau blieb starr sitzen, die Spitze des Kohlestifts berührte das Papier ohne Zittern. Vee neigte den Kopf, um besser sehen zu können; es war eine gefällige Zeichnung von einer Blockhütte in einem verschneiten Wald, Rauch stieg aus dem Schornstein auf.
    Schließlich hockte sie sich neben den kleinen Jungen und sagte in einem weicheren Tonfall: »Hey du, kannst du mich hören da drinnen? Kleiner?«
    Der Junge bewegte weder den Kopf noch blinzelte er. Vielleicht war er völlig hingerissen von Bildern, die sich lediglich in seinem Kopf abspielten. Vee stand auf.
    Sie hatten also abgeschaltet – so, wie sie es einst getan hatte. Aber sie war natürlich gefoltert und schließlich in einen Sarkophag aus Zement eingegossen worden … allein gelassen und vergessen für Jahrhunderte, bis ihr Zementgefängnis sich schließlich aufgelöst hatte. Sie schaltete damals ihr Bewusstsein ab, um Schmerz und Einsamkeit zu entfliehen. Für sie der einzige Ausweg.
    Sie sah sich noch einmal um und dachte an die gewaltigen Anstrengungen, die erforderlich waren, um diese kleine Wohnung zwischen dem unteren und dem oberen Ende von Ebene 120 wie eine kleine, geheime Zusatzebene zu verbergen. All diese akribischen Details, handgemacht im Laufe der Zeit. Warum all das auf sich nehmen, nur um sich dann stumm hinzusetzen und den Rest der Ewigkeit in einem Wachkoma zu verharren?
    Auf der anderen Seite des Raums befand sich ein Durchgang, der in eine Küche führte. Vee durchquerte das Wohnzimmer, um sich dort umzusehen. Wie im Bad gab es auch hier ein einzelnes, mattiertes Fenster. Jetzt erkannte sie den Zweck der fluoreszierende Röhre draußen im Gang. Sie vermittelte die Illusion von Sonnenlicht, das in den Raum hereinschien.
    Ein kleiner Tisch und vier Stühle mit unterschiedlichen, aber allesamt weiß gestrichenen Holzmaserungen. Ein funktionierender Herd, der an eine Gasleitung angeschlossen war. Ein falscher Kühlschrank, innen nicht kalt. Falls er jemals Nahrung enthalten hatte, mussten die Vorräte der kleinen Familie schon vor langer Zeit zur Neige gegangen sein.
    Eine gemischte Familie. Das Wort traf es wohl am besten. Eine farbige Mutter, ein weißer Papa, dazu ein asiatischer Sohn und die frühzeitig ins Bett gesteckte Oma, die schlafend in ihrem Zimmer lag. Die Hölle war zu riesig, tatsächlich grenzenlos gewesen, als dass Familien sich in ihr hätten finden und wiedervereinigen können. Zudem waren manche Familienmitglieder wohl im Paradies gelandet, während andere – in den meisten Fällen keine großen Sünder, sondern solche, die einfach nicht die strikten Bedingungen erfüllt hatten, um der Verdammnis zu entgehen – dem Hades übergeben worden waren. Und so waren neue Familien entstanden, hatten die Kinder von Verdammten bei sich aufgenommen und dabei mehr Mitgefühl gezeigt, als ihr Schöpfer es je getan hatte. Vee war froh, dass Gott sich, überwältigt von Schmerz und Wahnsinn beim Zusammenbruch seines Systems, selbst ausgelöscht hatte und nicht mehr existierte. Jay ließ es sich nicht nehmen, ihr sämtliche unerfreulichen Details zu berichten.
    Dabei war sie selbst einmal eine der Seligen gewesen. Ungeachtet der Frustrationen, die es mit sich brachte, war sie dankbar, dass sie sich selbst vergessen hatte.
    Vee seufzte, kehrte ins Wohnzimmer zurück und sah noch einmal von einer unbewegten Gestalt zur anderen. »Scheiß drauf«, sagte sie zu Jay, »ich geh jetzt duschen.«
    Jay lehnte griffbereit an der Toilette und behielt die Tür im Auge,

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