Der Untergang der Hölle (German Edition)
ihnen näherte. Auf dem Weg versuchte Vee, mehr über seine eigene Geschichte zu erfahren, so wie er es ihr angeboten hatte. Sie hoffte, auf diesem Weg sein Vertrauen zu gewinnen.
»Meine Familie ist gemeinsam mit mir im Feuer umgekommen. Meine Frau und ich wurden zu Engeln, so wie Sie, Rebecca. Meinen Sohn Mark ereilte das Schicksal eines Verdammten. Schuld ist meine verfluchte Exfrau. Die wehrte sich mit Händen und Füßen gegen seine Taufe. Also habe ich mich zusammen mit meiner Gattin auf den Weg in den Hades gemacht, um ihn zu suchen.«
»Aber dann saßen Sie hier fest, bevor Sie ihn mit in den Himmel nehmen konnten?«
Er sah zu ihr hinüber. »Man hat uns nicht erlaubt, ihn mitzunehmen. Sie wollten keinen Verdammten in den Himmel lassen … nicht einmal ein unschuldiges Kind.« Die Bitterkeit in seiner Stimme ließ sich fast mit Händen greifen. »Also haben meine Frau und ich beschlossen, zusammen mit ihm im Hades zu bleiben.«
»Wow. Sie müssen ihn wirklich lieben.« Vee beneidete ein Kind, das so einen Vater hatte.
»Das tun seine Pflegeeltern, Roger und Davina, auch. Sie sind ein Verdammtenpaar, das Mark bei sich aufnahm und ihn beschützte, als wäre er ihr eigener Sohn, bis ich kam und ihn fand. Am Ende haben wir alle zusammengelebt wie eine große und glückliche Familie. Eine große glückliche Familie in der Hölle. Wir wohnten in einer Stadt namens Apollyon, aber als der Konflikt eskalierte, wurde die Stadt von Dämonen ausgelöscht. Wir sind den ganzen Weg hierher nach Tartarus geflüchtet. Aber zumindest konnten wir zusammenbleiben.«
»Das ist bewundernswert.«
»Und was ist mit Ihnen?«
»Armdran hat es Ihnen bestimmt schon erzählt. Ich wurde so lange von Dämonen gefangen gehalten, dass ich mein Gedächtnis verlor. Mein Vater befand sich mit mir gemeinsam in Gefangenschaft.«
»Ja. Pastor Karl Phelps. Wir erhalten seine Botschaften, seit er wieder in Los Angeles aufgetaucht ist. Sieht ganz so aus, als hätte er eine Art Kopfgeld auf Sie ausgesetzt.«
»Seine Anhänger haben ihn gegen mich aufgehetzt. Außerdem hat er in der Zeit seiner Gefangenschaft offenbar den Verstand verloren.«
»Hm. Das sagen Sie. Aber es könnte auch ein ausgeklügelter Plan von Ihnen beiden sein, damit wir Ihnen vertrauen und Sie bei uns aufnehmen.«
»Was?« Vee blieb abrupt stehen. »Machen Sie Witze? Halten Sie mich für eine Selbstmordattentäterin, die Ihre Stadt infiltrieren will?« Sie hob auffordernd die Arme. »Na los, tasten Sie mich schon ab, Mister Palladino.«
Einer seiner Männer hob die Hand. »Das könnte ich übernehmen, Sir.«
»Klappe, Leonard.« Michael wies mit dem Kinn auf die Tür vor ihnen. »Kommen Sie, gehen wir weiter, okay? Es tut mir leid. Ich werde meine Spekulationen künftig für mich behalten.«
»Nein, bitte, sprechen Sie sich ruhig aus.«
»Ich sagte doch, es tut mir leid. Gehen wir.«
Widerstrebend ließ Vee sich weiterführen. Nach einer letzten Tür erreichten sie Freetown.
33. Die Stadt der Farben
W ie Los Angeles hatte sich auch Freetown von seiner ursprünglichen Ebene in die darüberliegende ausgebreitet. Die Stadt besetzte die Abschnitte 128 und 129. Doch während in L.A. beide Etagen miteinander verschmolzen waren, hatte man in Freetown die begrenzende Decke nur an einigen Stellen entfernt. Es gab eine Fülle von Rampen, Treppen, Leitern und sogar Fahrstühlen, die beide Ebenen miteinander verbanden. Die Wohn- und Geschäftsgebäude ähnelten denen der Stadt der Engel – Kästen aus wiederverwertetem Material oder zu Wohnzwecken umfunktionierte Maschinen.
Doch der große Unterschied war, dass die Behausungen hier in einer Vielzahl verschiedener Farbtöne gestrichen waren. Pastellfarben wie Aquamarin, Rosa und Gelb waren im Überfluss vorhanden, aber vielerorts fanden sich auch kreideartige Schattierungen von Rot, Blau, Violett und anderen Tönen. Vee wusste nicht, wie die Leute an diese Farben gekommen waren, aber sie sorgten für einen angenehmen Effekt. Die Stadt wirkte beinahe, als wäre sie von fröhlichen Riesenkindern aus Bauklötzen errichtet worden.
Einen noch größeren Unterschied zwischen L.A. und Freetown stellte jedoch die Bürgerschaft dar, die sich in den planlos anmutenden Straßen zusammendrängte. Sie bestand aus einer Mischung von Verdammten, Engeln und Dämonen zahlreicher humanoider Rassen. Unter Letzteren gab es eine Art mit afrikanischem Erscheinungsbild, doch ohne Haare oder Augenbrauen und mit rabenartigen Flügeln, sowie eine
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