Der Untergang der Hölle (German Edition)
sie gesehen.«
»Das ist meine Frau Olisha. Sie respektiert mich, beschützt mich, ist fürsorglich und hilfsbereit und … zuvorkommend. Ich weiß nur nicht, ob sie mich wirklich liebt. Und um ehrlich zu sein, ich bin mir auch nicht sicher, ob ich sie liebe. Ich meine, sie bedeutet mir etwas. Sie ist die einzige Frau, die ich mir im Hades je genommen habe. Frank da unten hatte sechs Frauen, seit er ins Konstrukt gekommen ist.«
»Sieben sogar, glaube ich«, schaltete Michael sich ein.
»Vielleicht haben Sie recht. Er hatte sie alle – Verdammte, Engel, Dämonen. Und er hat jede Einzelne von ihnen geliebt. Es ist nicht so, dass diese Ehen unbedingt in Hass geendet hätten. Es ist nur so, dass Liebe mit der Zeit vergeht. Ich will nicht, dass mir dasselbe mit Chara passiert, Rebecca. Ich will, dass meine Liebe zu ihr wahrhaftig unsterblich ist. Daher, nehme ich an, habe ich bislang der Versuchung widerstanden, mich neu zu verlieben.«
»Es ist schön, dass Sie sie auf diese Weise in Ehren halten. Aber vielleicht nicht sehr fair Olisha gegenüber.«
Alighieris Augen schienen Funken zu sprühen. »Fair? Wollen Sie mir etwa einen Vortrag über Fairness halten, Rebecca?«
»Entschuldigung.« Sie senkte reumütig den Blick. »Ich weiß wohl wirklich nicht, was fair oder gerecht ist. Ich weiß noch nicht einmal, ob man mir vergeben sollte.«
Alighieri starrte sie noch einen Augenblick lang durchdringend an, aber es schien ihn anzustrengen oder emotional zu überfordern. Er senkte seinerseits den Blick auf seine gefalteten Hände, wobei er fast den Eindruck erweckte, als bete er. »Es ist immer meine Absicht gewesen, Ihnen zu vergeben, Rebecca. Armdran hat Ihnen geglaubt, aber er wollte, dass ich mir mein eigenes Urteil über Sie bilden kann. Und ich glaube, dass die Botschaften Ihres Vaters authentisch sind.«
Vee sah wieder zu ihm auf. »Warum nehmen Sie mich dann derart heftig ins Kreuzverhör?«
»Ich wollte nur, dass Sie wissen, was Sie getan haben. Es wäre nicht richtig, dass Sie es vergessen.«
Nach ein paar Sekunden nickte Vee und sagte: »Das ist nur verständlich. Und ich sage es Ihnen noch einmal, egal, ob Sie es nun glauben oder nicht … Es tut mir zutiefst leid.«
»Entschuldigung. Ja«, erwiderte Alighieri. »Michael, sorgen Sie dafür, dass Miss Phelps sich ein wenig frisch machen kann. Falls sie bei uns bleiben will, bringen Sie sie irgendwo unter, bis sie sich entschieden hat, auf welche Weise sie sich in unsere Gemeinschaft einbringen möchte. Welche Arbeit sie verrichten will.« Er sah wieder seinen Gast an. »Wir steuern alle unseren Teil zum großen Ganzen bei, Rebecca. Wir kümmern uns umeinander. Aber ich habe es leicht. Das Schreiben ist meine einzige Aufgabe.«
»Ich glaube, Sie tun mehr als das.« Sie erhob sich von ihrem Stuhl und sagte: »Danke für Ihr Vertrauen.«
»Jeder, dem wir den Zugang nach Freetown gewährt haben, hat uns Vertrauen abverlangt.«
Michael öffnete Vee die Tür, doch auf der Schwelle drehte sie sich noch einmal um und verkündete: »Ich kann Ihnen versprechen … Rebecca Phelps ist tot.«
»Das will ich hoffen«, erwiderte Alighieri.
»Und falls es etwas bedeutet – ich habe auch sie getötet.«
35. Der Begleiter
D ie winzige Wohnung, die man Vee vorübergehend zugewiesen hatte, befand sich in einem Abschnitt der 128. Ebene, der einmal Teil eines mechaorganischen Komplexes von Tartarus gewesen war. Jede Oberfläche glänzte wie schwarzes Obsidian, doch das Bauwerk steckte voller unergründlicher Details: Platinen, Röhren (in denen es von Zeit zu Zeit beunruhigend gluckerte), Kabel (oder waren es Adern?), herauspräparierte Eingeweide und große Organe (von denen eines regelmäßig pulsierte wie eine Gummiblase).
In dieser merkwürdigen Zusammenstellung beschwor ihre neue Heimat gleichzeitig die Eindrücke des Mechanischen, des Insektoiden und des Reptilischen herauf. Sogar der Vorsprung, der ihr als Bett diente und direkt aus der Wand herauszuwachsen schien, setzte sich aus diesem schillernden Material zusammen. Doch zumindest war seine Oberfläche gleichmäßig weich. Man hatte ihr eine dünne Matratze und Decken gegeben, die sie darauf ausbreiten konnte.
Sie besaß auch neue Kleidung in der Art, wie sie sie dem skelettierten Dämon im Keller abgenommen hatte. Auch diese Uniform war ein Einteiler aus lycraähnlichem Stoff – noch dünner und elastischer und ohne die Ellenbogen- und Kniepolster und den gerippten Brustbereich, den die erste Uniform
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