Der Untergang der islamischen Welt
Anfang der neunziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts, nach dem Sieg der Islamisten bei den Parlamentswahlen und der darauffolgenden Annullierung der Wahlergebnisse geschah, droht auch in Ägypten, Marokko, Tunesien und Jordanien. Der Bürgerkrieg in Algerien, die Auseinandersetzungen in Pakistan, Irak, Somalia und im Sudan sind nur ein Vorgeschmack dessen, was noch kommen kann. Die Religionskriege, die Europa an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit ausbluten ließen und später einen Umdenkungsprozess in Gang setzten, werden in der islamischen Welt zwischen Sunniten und Schiiten, zwischen säkularen und religiösen Kräften ausgetragen. Der Ausgang dieses Kulturkampfes wird entscheiden, ob der Bruch ein Auf- oder ein Zusammenbruch wird.
Diese ideologischen Konflikte werden durch den Klimawandel in der Region verschärft, der einen zusätzlichen Druck auf die Menschen dort ausübt. Der Kampf um die knappen Ressourcen wird die ideologischen Auseinandersetzungen weiter eskalieren lassen. Die rückständige Forschung in der arabischen Welt und die Abhängigkeit vom Erdöl als Haupteinkommensquelle hinderte die arabischen Staaten daran, die Auswirkungen der Erderwärmung frühzeitig zu erkennen und Schritte zu unternehmen, um den dramatischen Entwicklungen entgegenzuwirken. Obwohl die Region zu den sonnenreichsten der Erde gehört, spielen Solar- und andere erneuerbare Energien dort kaum eine Rolle. Der Konsum geht ungebremst weiter, ohne Umweltbewusstsein und ohne Konzepte für einen Ausgleich. Der kontinuierliche Abbau von Grünflächen und das Errichten von gigantischen Hotelanlagen direkt an den Küsten zugunsten eines nicht nachhaltigen Massentourismus vergewaltigt die Umwelt und stört das Ökosystem massiv. Eine gleichgültige, fatalistische Haltung und der Mangel an nachhaltigem Denken lässt die Umweltprobleme in der arabischen Welt als Nebensache oder als gar nicht existent erscheinen.
Jahrelang galt Klimaforschung in den arabischen Staaten als Luxus, den sich nur der reiche Westen leisten kann. Kurz vor dem letzten Klimagipfel in Kopenhagen Anfang 2010 erschien dann doch die erste ernstzunehmende arabische Studie zur Klimaveränderung im Nahen Osten. Sollten die Verfasser der Studie recht behalten, ist der endgültige Untergang der arabischen Welt nur eine Frage der Zeit. Die Studie des arabischen Forums für Umweltforschung und Entwicklung ( AFED ), das seinen Sitz in Beirut hat, geht davon aus, dass im Zuge der Wasserknappheit große Teile des fruchtbaren Halbmondes vom Libanon bis zum Irak bis zum Ende dieses Jahrtausends verschwinden werden. Die Ergebnisse dieser Studie sagen aber der gesamten Region kurz- bis mittelfristig eine düstere Zukunft voraus. Bereits heute besitzen die arabischen Staaten zehn Prozent der weltweiten Agrarflächen, verfügen jedoch nur über weniger als ein Prozent der Süßwasservorräte. Und diese werden bis 2050 noch knapper. Die AFED -Studie wurde Ende 2009 in einer Konferenz vorgestellt, die mit einem demonstrativen Plakat eröffnet wurde: »Wir können Erdöl nicht trinken«. Die Studie verlangt, die Ölproduktion zurückzunehmen und die Wege für erneuerbare Energien in den arabischen Staaten zu öffnen. Doch die ölreichen Golfstaaten, allen voran Saudi-Arabien, haben sich unversöhnlich gegenüber dieser Forderung gezeigt, obwohl sie selbst durch den Klimawandel am meisten leiden werden.
Als Ergebnis der Erderwärmung soll der Meeresspiegel bis Ende des 21 . Jahrhunderts ansteigen, so dass große Teile der Vereinigten Arabischen Emirate, Kuwaits und Katars existenziell betroffen sein werden. Auch zwölf bis fünfzig Prozent des ägyptischen Nildeltas sollen dadurch für den Ackerbau untauglich werden, was fatale Konsequenzen für die ägyptische Wirtschaft haben wird. Bereits heute droht ein Konflikt zwischen Ägypten und Äthiopien und Kenia zu eskalieren, weil Staudämme am oberen Nil geplant sind, die Ägyptens Wasserversorgung bedrohen. Der Anbau von Baumwolle und Getreide wird dadurch massiv beeinträchtigt. Einen Rückgang der Lebensmittelproduktion in der gesamten arabischen Region um fünfzig Prozent befürchten die Verfasser der Studie. Darüber hinaus sind auch viele Urlaubsziele in der arabischen Welt betroffen, die zusätzlich durch das sich verschlechternde Ökosystem und die immer weiter steigenden Temperaturen für Touristen unattraktiv werden. Sollten den arabischen Staaten nach dem Versiegen des Erdöls auch die Einnahmen aus dem Tourismus fehlen,
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