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Der Untergang der Telestadt

Der Untergang der Telestadt

Titel: Der Untergang der Telestadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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Basis, unternehmen. Da wir erst ein winziges Zipfelchen dieser neuen Welt kannten, dafür schon Unheil genug gesehen und vermutlich wesentlich mehr zu erwarten hatten, war ich von dieser Lösung nicht begeistert, aber ich wurde überstimmt.
    Das Unheil begann, als wir am Morgen des Aufbruchs erwachten.
    Zur Routineüberwachung gehörte ein automatisch gesteuerter Periskoprundblick.
    Ich wurde – nach wie vor im Schiff isoliert – von Inges Ruf »Es schneit!« geweckt.
    In der Tat jagte über den Bildschirm ein Geflirre, das auf den ersten Blick wie das wilde Treiben großer, nasser Schneeflocken aussah. Aber dann schwirrte es im Nahbereich der Außenkamera vorbei. Kein Zweifel, ein Aufmarsch Tausender von uns vermißter Insekten, aber was für einer und was für welche!
    Meine fünf Gefährten befanden sich im Nu in der Zentrale. Ich schimpfte, daß man mir zu spät und nicht ausreichend die Bilder zuteilte. Am ehesten war das, was sich tat, mit einem der früheren afrikanischen Heuschreckenschwärme zu vergleichen. Nur, diese Insekten hier waren bedeutend größer und noch flugfähiger als unsere schwirrspringenden Heuschrecken. Und denen hier ging es offensichtlich zunächst nicht ausschließlich ums Fressen. Sie tanzten wie Mücken, gaukelten wie Schmetterlinge, denen sie wohl auch am ähnlichsten sahen, und später dann fraßen sie wie neunköpfige Raupen, wie man scherzhaft sagt. Die Tiere nahmen den gesamten Horizont und ringsum den Zenit ein, und der Boden unter dem Schiff verschwand unter ihrer Masse. Aus der Kleinschleuse angelte sich Lisa eines der Tiere – ansonsten wäre dies meine Aufgabe gewesen –, dann hielt man mir den Hermetikkäfig vor die Kamera.
    Ehrlich gesagt, ich hätte ungeschützt draußen in dem Schwarm nicht sein wollen! Selbst im leichten Schutzanzug, wie wir ihn die Tage vorher trugen, wäre ich mir nicht sicher genug vorgekommen.
    Das Tier ist hellgrün, beinahe schon weiß, sieht insgesamt raupenähnlich aus, und es besitzt zusammenfaltbare, von einer trichterförmigen Hülle einzuschließende Flügel, so daß es im Ruhezustand einer Insektenpuppe nicht unähnlich ist. Das Exemplar, das Lisa eingefangen hatte, war elf Zentimeter lang, der Kopf mindestens daumennagelgroß mit entsprechenden Beißwerkzeugen.
    Dann fingen die Kameraden, die offenbar mit aller verfügbaren Optik fieberhaft arbeiteten (langsam nahm ich Bruno die Ausdehnung meiner Quarantäne übel, und ich grollte mit Lisa, die allein befugt war, die Aufhebung vorzuschlagen), ein grusliges Schauspiel ein: Einer dieser Affen Kaimane prasselte durch die Äste in unsere Lichtung. Er schlug mit den Extremitäten, dem Schwanz und der langgezogenen Schnauze wild um sich, einmal, um sich der auf ihn einstürzenden Flügelraupen zu erwehren, zum anderen aber, um selbst so viele wie möglich von den Insekten zu erhaschen und zu verschmatzen. Er wurde förmlich in Blitzesschnelle abgenagt. Aber selbst als er kein Glied mehr rühren konnte, schnappte die Schnauze weiter…
    Vorzugsweise aber nagen die Flügler junge Zweige und Triebe. Wie wir später feststellten, verschmähten sie große, ausgereifte Blätter, wohl die Überlebenschance der Pflanze.
    Mehr und mehr der Insekten fanden ihre Futterstelle im Buschwerk, der Schwarm wurde lichter. Ab diesem Zeitpunkt sahen wir sie: Hunderte unterschiedlich große Flugtiere, die sich von oben in die Insektenwolke stürzten und dort ihre Beute machten.
    Ähnliches geschah auf dem Boden. Überall krochen Tiere hervor, einige, die wir noch nie zu Gesicht bekommen hatten, um sich am Schmaus zu beteiligen. Da packten Würmer aus Bodenlöchern ebenso zu wie diese Echsen, Riesengrashüpfer, Pelzmarder, und immer der Gefahr ausgesetzt, selbst noch Beute zu werden.
    Wir beobachteten, wie die Insekten dann, offenbar satt gefressen, zu Boden schwirrten und sich dort blitzschnell eingruben.
    Später holten wir einige hervor. Sie bewegten sich zwar, hatten aber anscheinend ihre Lebhaftigkeit völlig eingebüßt. Ein neuer Entstehungszyklus begann.
    Als nach Stunden der Spuk vorbei war, fanden wir außer einigen solcher grünlichen Flügelhülsen, die wir für Pflanzenteile gehalten hatten, von den Insekten nichts mehr vor. Nur die Bäume boten für die nächsten Tage ein jämmerliches Bild, was ein Gutes hatte: Es drang mehr Licht bis in die Bodenregion, wodurch offenbar wiederum kräftiges Sprießen hervorgerufen wurde.
    So verbrachten wir den Tag, der eigentlich dem Aufbruch vorbehalten sein

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