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Der Untergang der Telestadt

Der Untergang der Telestadt

Titel: Der Untergang der Telestadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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ich auf das Abholen wartete, der erste größere Ausflug und eine Audienz beim Commodore…
    Ein kleiner Schrauber landete viel zu früh. Aber der Grund wurde mir sehr bald klar: Nach einer kurzen Kontaktnahme verschwand der Pilot im Schiff und tauchte erst genau zur Abflugzeit auf. Er gestand mir während des Fluges, er sei schwimmen gewesen, habe einen Rapidschlaf genommen und im Küchencenter nach dem Rechten gesehen. Nun fühle er sich wohler…
    Vom Hubschrauber aus konnte man von den Anstrengungen unten nicht allzuviel sehen, und es war auch nicht sehr weit bis zur Siedlung. Ja – Siedlung konnte man schon sagen. Ein fast kreisrunder, großer Platz, geräumt bis auf den gewachsenen Boden, mit betonierten Wegen und Knüppeldämmen, vor allem aber mit Häusern, und natürlich eine Menge Baueinrichtungen, Maschinenstützpunkte, Werkstätten. Noch beherbergten die Häuser keine Mieter; sie dienten als Unterkünfte für die Arbeiter und als Materiallager, aber man konnte absehen, daß dieser Zustand bald überwunden sein würde.

    Ich habe soeben das bislang Geschriebene nachgelesen. So wird das im Leben keine Chronik, und wie soll ich die Ereignisse der letzten beiden Jahre bis zum heutigen Tage einigermaßen überschaubar nachholend schildern, wenn ich mich über die ersten vierzehn Tage seitenlang auslas se? Nun, mein Groll über mein Unvermögen ist so groß nicht, schreibe ich doch wahrscheinlich ausschließlich für mich, nur für mich…
    Also – außer daß ich ein weniges von den Anfängen sah, auf diesem
    meinem ersten Ausflug, war die Unterredung mit David Kanadse, die
    noch dazu durch eine Unfallmeldung gestört und verkürzt wurde, für
    mich äußerst unbefriedigend, weil ich auch bei ihm kein offenes Ohr für unsere Probleme fand. Der Commodore empfing mich freundlich, tat
      nicht so überheblich wie Gus, er forderte mich auf, mich umzusehen, einen Blick in die Unfall- und Verluststatistik zu werfen, mir die äußeren Bedingungen »auf der Zunge zergehen zu lassen«, und dann möge ich
    ihm vorschlagen, wie er sein Konzept anders gestalten solle. Im übrigen
    würde sich vieles verändern, wenn wir mit den Kindern in die neue
    Schule zögen, der Grundstein sei bereits gelegt, wenngleich des schlech
    ten Baugrunds wegen mit einer Terminverschiebung zu rechnen sei.
    Danach hätte ich ihn anschreien mögen, er solle sein verdammtes Konzept auf die Hälfte des Leistungsdrucks herabschrauben, solle den Leuten Verschnaufpausen einräumen, die sie in diesem mörderischen Klima bitter nötig hätten, solle wenigstens die Mütter unbedingt verkürzt arbeiten lassen, damit sie sich ein Mindestmaß um die Kinder kümmern könnten. Denn schließlich, so hätte ich am liebsten gerufen, wem komme es wohl darauf an, ob wir dieses oder jenes ein Jahr früher oder später fertigstellten, es sei ein Kampf nur um des Kampfes willen, den führen könne, wer will, nur solle der Commodore andere nicht mit hineinziehen.
    Ja, soweit war ich, nach diesen paar Tagen auf Neuerde, ich, im Hinterland, beim Troß sozusagen…
    Natürlich habe ich das alles nicht gesagt, sondern resignierend und feige den Kopf gesenkt, mich für das Gespräch bedankt und noch gelächelt, als er mir mit einem »Kopf hoch, Mädchen, es wird schon!« beim Abschied auf die Schulter klopfte.
    Da ich nicht sogleich zurückgebracht werden konnte, nutzte ich die Gelegenheit, mich ein wenig, gedrückter Stimmung zwar, umzuschauen. Ja, es war viel erreicht worden, und zu diesem Zeitpunkt empfand ich doch ein wenig Stolz, dazuzugehören, meinen Teil dazu beizutragen, wenn auch im »rückwärtigen Dienst«.
    Die Residenz des Commodore befand sich in einem noch wenig erschlossenen Gebiet, dort, wo eigentlich rings um die Siedlung Felder angelegt werden sollten; denn selbstverständlich würden wir uns in absehbarer Zeit autonom ernähren müssen.
    Niemand kümmerte sich um mich. In einer Schneise ging ich der Siedlung zu, zum erstenmal eigentlich empfand ich den ursprünglichen Wald, den Dschungel von Neuerde. Staunend und schaudernd stand ich vor dem Dickicht, das mir undurchdringlich und feindselig erschien. Und trotz des Arbeitslärmes ringsum hörte ich auch diesen Urwald, es schnarrte da und grunzte, es rauschten in der Windstille Geäst und Blätter, und es surrte Flügelschlag.
    Obwohl die gehauene, geschobene, splittrige Gasse in zwanzig Meter Breite den Bewuchs durchtrennte, herrschte Düsternis. Der wolkenverhangene Himmel wirkte an diesem Tag

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