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Der Untergang der Telestadt

Der Untergang der Telestadt

Titel: Der Untergang der Telestadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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die Kinder bis zu ihrer physischen Belastungsgrenze, wir führten auch die Neunjährigen an die Arbeit heran. Unterrichtsausfall ließ sich nicht vermeiden, mit dem Lehrplan gerieten wir ins Hängen. Und diese Situation änderte sich nicht wesentlich, als sich später die Einsicht durchsetzte, daß die Schule allein der Aufgabe nicht gewachsen war. Es wurden zwar, insbesondere aus den im Arbeitsprozeß voll integrierten Lehrlingen und Studenten, Hilfstrupps gebildet, aber unser Einsatz wurde nicht verringert.
    Plötzlich trat eine vorübergehende, schaurige Wende ein. Wir hatten uns einen ungestörten Unterricht gewünscht, auf diese Weise jedoch nicht. Bislang hatten wir es als Wohltat empfunden, daß Neuerde fast insektenfrei war. Lediglich bei den intensiven landwirtschaftlichen Arbeiten wurden insektoide Bodenwürmer und verschiedene Arten, allerdings nicht häufig auftretender Pflanzenschädlinge entdeckt. Aber was dann über uns hereinbrach, lag außerhalb jeden Vorstellungsvermögens. Ich befand mich mit meiner Klasse im Roggen und hielt mich bewußt im Hintergrund, um die Sorgsamkeit der Arbeit, sowohl was die Unkrauttilgung als auch die Saatpflege anbelangte, im Auge zu behalten. Plötzlich, ich hätte nicht zu sagen vermocht, woher, war ein Gewimmel um uns herum, der Tag wurde noch trüber, ein Geflirre, eine Bedrohung, weil ich und dem Geschrei nach auch die Kinder schmerzhafte Bisse verspürten.
    Ich wollte den Lärm überbrüllen und die Gruppe zusammenhalten, einen gemeinsamen Rückzug antreten. Es gelang mir nicht. Die Kinder rannten schreiend nach allen Richtungen auseinander. Ich sah, wie einige stürzten, sich wälzten, wie andere, Entsetzen in den Augen, um sich schlugen. Ich selber versuchte mit heftigen Hieben, mich des auf mich Einstürzenden zu erwehren. Unterbewußt nahm ich wahr, daß der Angriff dieser Tausenden Flirrer in erster Linie nicht uns, sondern den jungen Trieben galt, die sie im Nu überwucherten und buchstäblich verschlangen, Roggen und Unkraut.
    Heftiger Ekel ergriff mich, und dann rannte auch ich, die kleine Dapsi an der Hand, der Schule zu. Wir stolperten über Erik, der schreiend am Boden lag. Ich riß ihn hoch, klemmte ihn gleichsam unter den Arm, und wir erreichten im an Heftigkeit noch zunehmenden Gestöber das Gebäude.
    Ich ermannte mich und schlug von mir und den Kindern die fingerlangen, grünweißen, geflügelten Raupen ab, und wir schlüpften atemlos und geschockt ins Haus, ohne die Tragweite des Geschehens erfaßt zu haben. Mit spitzen Fingern las ich zwei, drei der Insektenungetüme von uns ab, die sich in meinem Griff heftig wanden und mit Zangen um sich bissen. Ich schleuderte sie zu Boden und zermalmte sie mit den Füßen, sie gleichsam in den Boden hineindrehend.
    Zwei Menschen überlebten diesen überraschenden Insekteneinfall nicht. Sie waren gestürzt, erlitten über und über Bißwunden, die eine Art Allergie auslösten, die sich mit unseren Mitteln nicht behandeln ließ. Sie starben nach vier Stunden in Fieberwahnvorstellungen.
    Etliche von uns waren für Tage ans Krankenlager gefesselt, was wiederum Verzug in den Arbeiten bedeutete.
    Alles, was bislang gesät und so mühevoll gepflegt worden war, fiel in einer Stunde den Raupen zum Opfer. Denn länger als eine Stunde dauerte der Spuk nicht, dann verkrochen sich die Tiere im Boden.
    Der Wald ringsum hatte sich verdüstert, weil alle jungen Triebe ratzekahl abgefressen waren, zwar auch das Unkraut auf den Feldern, aber ebenfalls jeder Halm unserer Saat.
    Der Rat berief einen Krisenstab ein. Doch mehr als den Schaden zu konstatieren und festzulegen, von vorn zu beginnen, konnte der auch nicht. Ein kleines Team wurde ins Leben gerufen, natürlich erneut unter Schmälerung der bestehenden, das sich mit der Population dieser Freßinsekten befassen sollte, damit sie bekämpft oder wir wenigstens rechtzeitig vor ihnen gewarnt werden konnten.
    Mittlerweile wissen wir, sie treten zweimal im Jahr in unterschiedlicher Heftigkeit auf, und schützen können wir uns im Prinzip vor ihnen nicht. Erst jetzt haben wir eine einigermaßen sichere Erkenntnis: Sie benötigen an die fünfhundertzehn Tage vom Schwärmen bis zum erneuten Schlupf. Die Felder, sofern die Pflanzen nicht geerntet sind, können nur durch Folien und Netze geschützt werden, eine gewaltige Arbeit. Aller dings verschmähen die kleinen Ungeheuer Getreide, wenn es Ähren angesetzt hat.
    Dieses Jahr werden erstmalig Fangschläge angelegt, eine vergiftete

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