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Der Untergang der Telestadt

Der Untergang der Telestadt

Titel: Der Untergang der Telestadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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Vorwürfe, aufgebrochen zu sein. Der Sohn liegt fiebrig im Bett, eine Allergie macht ihm außerdem zu schaffen, deren Ursprung mir verborgen bleibt.
    Wir sind auch deshalb langsamer vorangekommen, weil wir die Schneise in einem Ausmaß zugewachsen vorfanden, wie ich mir das nicht vorgestellt hatte. Triebe mit armstarken Stämmen hatten sich übermannshoch herausgemacht. Und dort, wo ab und an ein Schweber seine Bahn gezogen hatte, erschienen die Pflanzen lediglich etwas niedriger, aber wesentlich mehr von Unterholz und Kraut durchwuchert.
    Glücklicherweise erlebten wir in den Depots keine allzu niederschmetternden Überraschungen. Es fiel mir schwer, sie aufzufinden. Oftmals mußten wir nennenswerte Strecken zurück, weil wir die Stellen überlaufen hatten.
    Wenn auch diese Orte von allerlei Pflanzen überwuchert und manche Zelte von Sturm und Regen zerstört, von Echsen verwüstet waren, fand ich das wohlverpackte Gerät und Konserven in ausreichender Menge und Qualität vor, so daß ich mich, wenngleich Pitt litt und ich ihn zunehmend bemitleidete, stets angehalten fühlte, den Marsch fortzusetzen. Wir kamen auch deshalb langsamer voran, weil ich erstens Pitt nicht ständig tragen wollte und konnte und weil er zweitens eine Wißbegier entwickelte, die ich nicht durch Eile bremste. Wir beobachteten die kleinen Nager, Hautflügler, Echsen, dort, wo man im Gehölz ihrer ansichtig wurde. Pitt wurde von Blüten und Früchten gefesselt, die um die Telesalt herum nicht wuchsen. Und natürlich benötigte der Sohn auf dem Marsch auch seine Ruhephasen. Selten wurde er unleidlich, kaum verweigerte er das Weiterschreiten.
    Natürlich hatte ich Angst vor Kraken. Pitts Tragegestell hatte ich mit einem stabilen Gitter versehen, und ich quälte mich mit meiner Rüstung herum. Wir trafen jedoch ein solches Ungeheuer nicht.
    Vor einer Begegnung aber mit Seestädtern auf der Piste hatte ich keine Furcht. Ihr Annähern mußte weithin vernehmlich sein, und das Unterholz bot ausreichend Schutz, in den man sich schnell begeben konnte. Ich erspare mir, Einzelheiten des Marsches zu beschreiben. Aus jetziger Sicht muß ich sagen, die Strapazen standen nicht für das Ergebnis. Unmittelbar am Rande von Seestadt richtete ich eine Art Sonderdepot ein, ein ganzes Stück abseits vom Weg. Und dort – wie verantwortungslos! – ließ ich Pitt für Stunden allein.
    Was ich also von Seestadt und seinen Bewohnern sah, war bruchstückhaft, weitab davon, sich ein Bild des gegenwärtigen Lebens dort zu zeichnen.
    Der erste Eindruck: verwahrlost. Erst bei näherem Hinsehen differenzierte sich der Zustand. Die ursprüngliche Rodung zum Bau der Stadt hatte der Dschungel wieder wettgemacht. Er hatte seine Triebe, Ranken und Kräuter von überallher in das Weichbild der Siedlung getrieben, und er wurde nunmehr nur dort im Zaum gehalten, wo er wirklichen Scha den verursachen würde. So wucherten natürliche Zäune, standen Buschzungen oder kleine Haine – manchmal nur aus zwei, drei Bäumen bestehend. Die ehemals kahle, breite Hauptstraße wies nur noch zwei gebüschgesäumte, nicht übermäßig gerade Fahrspuren auf. Manche Häuser kamen mir vor wie Dornröschenschlösser en miniature. Natürlich erkannte ich den Vorteil, der sich mir so bot. Überall ergab sich auf einmal Sichtschutz, ich fühlte mich sofort sicherer.
    Und ein zweites fiel mir auf: Die Gärten um die einzelnen Häuser schienen mir beträchtlich größer als vordem, und sie standen – manche allerdings arg verunkrautet – in prächtigem Wuchs. Einmal langte ich durch eine Zaunlücke zu, zog mir einige appetitliche faustgroße Radieschen heran.
    Durfte ich den Schluß ziehen, daß man in Seestadt weitgehend zur Selbstversorgung übergegangen war? Im Grunde eine vernünftige Lösung, wenn sie nicht einige damit verbundene Probleme vermuten ließe: Ist beispielsweise eine zentrale Versorgung nur noch eingeschränkt möglich oder gar zusammengebrochen?
    Produktionsstätten konnte ich ausmachen, auch feststellen, daß dort gearbeitet, produziert wurde, was, erkannte ich allerdings nicht. Ich sah wenig Leute. Einmal begegnete ich einer Gruppe. Ich hielt mich zurück und blieb unbeachtet. Einen Gesprächsbrocken fing ich auf: »… müssen schuften, und die Bergstädter machen sich einen Lenz…«
    Einen Augenblick verhielt ich den Schritt, so überraschten mich diese Worte. Sie lassen keinen anderen Schluß als diesen zu, daß Bergstadt reaktiviert worden ist. Und sofort stürzten eine Menge

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