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Der Untergang der Telestadt

Der Untergang der Telestadt

Titel: Der Untergang der Telestadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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hört der Lärm auf. Ich nehme mir vor, was ich ursprünglich wollte, die Familie noch eine Weile zu beobachten, um so Ansatzpunkte für unausbleibliches Handeln zu finden.

    Ich rannte förmlich auf leisen Sohlen zum Hauptkorridor und sah sie aus dem Seitengang an mir vorüberziehen.
    Der Mann sprach auf sie ein. Er formulierte wiederholt, daß er neue, andere Werkzeuge besorgen und dies gleich morgen tun werde. Er hielt eine Fackelleuchte, in deren Schein ich gut die Gesichter erkennen konnte. Die Züge der Frau schienen gelöst. Sie weinte leise vor sich hin und trug das anscheinend schlafende Kind an die Brust geschmiegt.
    Der Mann hatte den Fäustel geschultert und eine Tasche umgehängt. Es schien ihm gelungen zu sein, die Frau auf einen späteren Zeitraum der Fortsetzung der Arbeit zu vertrösten, eine Tatsache, die mich in gewissem Sinne erleichterte, brauchte ich mir doch vorerst keine Sorgen mehr um die Taburäume des Schiffes zu machen.
    Ich ging den Leuten nach, hielt aber einen so großen Abstand, daß Sichtkontakt meist nicht zustande kam. Ich glaubte ihr Ziel zu kennen, wollte vom selben Standort aus wie am Vorabend weiter beobachten. Geirrt hatte ich mich nicht, aber welche Szene bereits im Gange war, als ich meinen Platz erreichte!
    Man hatte offenbar einen Imbiß genommen. Das Kind strampelte zufrieden, die Frau lag matt, aber ich hatte den Eindruck, nicht apathisch, auf der Schütte. Der Mann hockte neben ihr, gestützt auf Knien und Ellenbogen, sprach auf sie beruhigend ein, strich mit zarten Händen über ihren Körper. Aber ich bemerkte sogleich die Absicht: Während er sie mit der Rechten streichelte, streifte er ihr mit der Linken eine Schelle über die linke Fessel.
    Dann stand er behutsam auf, ergriff den Lichtwerfer und entfernte sich langsam, rückwärts gehend von dem Rest seiner Familie. Die Frau nahm das nicht sichtbar zur Kenntnis. Sie rollte sich bequemer, dabei hob sie den linken Fuß, und ich gewahrte, daß von der Schelle ein flexibles Seil ausging, das an einem nahestehenden beinstarken Baum befestigt war. Er hatte also die Frau – wie einen Hund – angekettet!
    Wieder befiel mich Empörung, aber wieder hatte sie nach wenigen Augenblicken keinen richtigen Nährboden mehr in mir. Wie anders sollte er die Unzurechnungsfähige halten, bei dem Kind halten? Hatte ich nicht erlebt, wie sie sich und alles vergessen konnte und einfach davonlief? Und dennoch: Ich empfand einerseits den ungeheuren Leichtsinn, wenn ich mir die Gefahren auf diesem Planeten vergegenwärtigte. Was geschähe, näherte sich dem Unterstand ein Krake? Die Ärmste könnte nicht einmal flüchten!
    Andererseits mußte der Mann wohl dafür sorgen, Lebensmittel heranzuschaffen, vielleicht im konkreten Fall auch Werkzeug. Immerhin hatte er Versprechungen gemacht. Und immerhin blieb hier ein Säugling zu versorgen, was ohne die Mutter äußerst schwierig werden konnte. Und die Handlung des Mannes zeugte davon, daß er wohl seine spezifischen Erfahrungen hatte.
    Für mich aber wurde die Entscheidungssituation nicht leichter.
    Vorerst gab es nicht einmal etwas zu beobachten, und da es so aussah, als hätten sich die Leute hier für längere Zeit niedergelassen, stand für mich zunächst außer Zweifel, sie hier wieder zu treffen. Mit dieser Überlegung stellte sich bei mir die nicht zu beantwortende Frage: Warum sind sie nicht in die Telesalt gezogen? Es gab nur eine plausible Erklärung: die Angst vor Entdeckung. Ich hatte ja ähnliches erlebt.

    Vor wenigen Minuten bin ich von meinem abermaligen Beobachtungsgang zurückgekehrt, herb überrascht und verzweifelt.
    Ich hatte einen unruhigen Tag verbracht. Stets kreisten meine Gedanken um die dort draußen vegetierende Familie, um die angeseilte Frau. Als gegen Abend der Regen nachließ, trieb es mich förmlich hinaus, um mich zu vergewissern, daß dieses dürftige Leben dort seinen Gang nahm.
    Es blieb mir nur festzustellen, daß sich diese Familie nicht mehr auf ihrem Platz befand. Die drei Menschen waren mit Sack und Pack verschwunden.
    Ich suchte, soweit schwindendes Tageslicht, Gelände und meine Furcht, auf gefährliches Getier zu stoßen, es zuließen, die Umgebung ab, ohne aber eine Spur von den drei Menschen zu entdecken. Wohin, um alles in der Welt, haben sie sich gewandt, was geht in ihren Köpfen vor…? Eine vage Hoffnung streifte mich – vielleicht sind sie vernünftigerweise nach Seestadt zurückgekehrt.

    Morgen werde ich ein weiteres Mal gegen Seestadt

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