Der Untergang des Abendlandes
eine religiöse Provinz Syriens geworden. Damals beginnen die Baale von Doliche, Petra, Palmyra, Emesa zum Monotheismus des Sol zu verschmelzen, der später als Gott des Reiches in seinem Vertreter Licinius von Konstantin besiegt wurde. Es handelt sich nicht mehr um antik oder magisch – das Christentum konnte den hellenischen Göttern sogar eine Art ungefährlicher Sympathie entgegenbringen –, sondern darum, welche der magischen Religionen der Welt des antiken Imperiums die religiöse Form geben sollte. Man findet diese Abnahme des plastischen Empfindens sehr deutlich in den Entwicklungsstufen des Kaiserkultes, wo zuerst der verstorbene Kaiser als Divus durch Senatsbeschluß in den Kreis der Staatsgötter aufgenommen wird – als erster der Divus Julius 42 v. Chr. – und eine eigne Priesterschaft erhält, so daß von nun an sein Bild bei Familienfesten nicht mehr unter den Ahnenbildern vorangetragen wird; wo dann von Marc Aurel an keine neue Priesterschaft mehr für den Dienst vergöttlichter Kaiser entsteht, bald darauf auch kein neuer Tempel mehr geweiht wird, weil ein allgemeines
templum divorum
dem religiösen Gefühl hinreichend erscheint, und die Bezeichnung Divus endlich sich in einen
Titel
der Mitglieder des Kaiserhauses verwandelt. Dieser Ausgang bezeichnet den Sieg des magischen Gefühls. Man wird finden, daß die Häufung von Namen in Weihinschriften, wie Isis – Magna Mater – Juno – Astarte – Bellona oder Mithras – Sol Invictus – Helios schon längst die Bedeutung des Titels einer alleinexistierenden Gottheit angenommen hat. [Die symbolische Bedeutung des Titels und seine Beziehung zu Begriff und Idee der Person kann hier nicht gegeben werden. Es sei nur darauf aufmerksam gemacht, daß die antike Kultur als einzige von allen niemals einen Titel gekannt hat. Das würde dem streng Somatischen ihrer Bezeichnungen widersprochen haben. Außer Eigen- und Beinamen besaß sie nur die technischen Namen tatsächlich ausgeübter Ämter. »Augustus« wird sofort Eigenname, Cäsar sehr bald Amtsbezeichnung. Man kann das Vordringen des magischen Gefühls daran verfolgen, wie in der spätrömischen Beamtenschaft höfliche Wendungen wie
vir clarissimus
feststehende
Titulaturen
werden, die verliehen und entzogen werden können. Genau so sind die Namen fremder und älterer Götter jetzt zu Titeln der anerkannten Gottheit geworden. »Heiland« (Asklepios) und »Guter Hirte« (Orpheus) sind Titel Christi. In antiker Zeit aber waren sogar die Beinamen römischer Gottheiten allmählich zu selbständigen Göttern geworden.]
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Der Atheismus ist dem Psychologen wie dem Religionsforscher bisher kaum einer sorgfältigen Betrachtung wert erschienen. Soviel über ihn schlechtweg geschrieben und räsoniert worden ist, gleichviel ob im Stile des freigeistigen Märtyrers oder des gläubigen Zeloten: von
Arten
des Atheismus, von der Analyse einer einzelnen,
bestimmten
Erscheinungsform in ihrer Fülle und Notwendigkeit, ihrer starken Symbolik, ihrer zeitlichen Beschränktheit hat man nie gehört.
»Der« Atheismus – ist er die apriorische Struktur eines gewissen Weltbewußtseins oder eine wahlfreie Überzeugung? Wird man für ihn geboren oder zu ihm bekehrt? Zieht das unbewußte Gefühl von einem entgötterten Kosmos auch das Wissen davon nach sich, daß »der große Pan tot ist«? Gibt es frühe Atheisten, etwa in der dorischen oder gotischen Zeit? Gibt es jemand, der sich mit Leidenschaft, aber mit Unrecht als Atheisten bezeichnet? Und kann es zivilisierte Menschen geben, die es
nicht
sind, zum wenigsten nicht ganz?
Daß zum Wesen des Atheismus, wie schon die Wortbildung in sämtlichen Sprachen verrät, die Verneinung gehört, daß er den Verzicht auf eine geistige Verfassung bedeutet, die ihm also voraufgeht, und nicht etwa den schöpferischen Akt einer ungebrochenen Gestaltungskraft, steht fest. Aber was wird da verneint? In welcher Weise? Und von wem?
Ohne Zweifel ist der Atheismus, richtig verstanden, der notwendige Ausdruck eines in sich vollendeten, in seinen religiösen Möglichkeiten erschöpften, dem Anorganischen verfallenden Seelentums. Er verträgt sich sehr wohl mit dem lebhaften und sehnsüchtigen Bedürfnis nach echter Religiosität [Diagoras, der seiner »gottlosen« Schriften wegen in Athen zum Tode verurteilt wurde, hat tief fromme Dithyramben hinterlassen. Man lese daraufhin Hebbels Tagebücher und seine Briefe an Elise. Er »glaubte nicht an Gott«, aber er betete.] – darin aller Romantik
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