Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Untergang des Abendlandes

Der Untergang des Abendlandes

Titel: Der Untergang des Abendlandes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oswald Spengler
Vom Netzwerk:
antiken Menschen waren die Götter der Ägypter, Phöniker, Germanen, soweit sich mit ihnen eine bildhafte Vorstellung verbinden ließ, ebenfalls wirkliche Götter. Die Rede, daß sie »nicht existieren«, hat innerhalb dieses Weltgefühls keinen Sinn. Der Grieche verehrt sie, wenn er mit ihrem Lande in Berührung kommt. Die Götter sind wie eine Statue, eine Polis, ein euklidischer Körper an den Ort gebunden. Sie sind Wesen der Nähe, nicht des allgemeinen Raumes. So gut Zeus und Apollo zurücktreten, wenn man sich etwa in Babylon aufhält, so gut hat man die dort heimischen Götter nun
besonders
zu achten. Diese Bedeutung haben die Altäre mit der Aufschrift »Den unbekannten Göttern« –, welcher Paulus in der Apostelgeschichte eine so bezeichnend mißverständliche, magisch-monotheistische Deutung gibt. Es sind die Götter, welche der Grieche dem Namen nach nicht kennt, die aber von den Fremden in den großen Häfen, im Piräus oder in Korinth etwa, verehrt werden und denen er deshalb Achtung zollt. Mit klassischer Deutlichkeit offenbart dies das römische Sakralrecht und die streng bewahrten Anrufungsformeln z. B. der
generalis invocatio
. [Wissowa, Religion und Kultus der Römer (1912), S. 38.] Da das Universum die Summe der Dinge ist und Götter Dinge sind, so werden auch alle die Götter als solche anerkannt, mit denen der Römer praktisch-historisch noch nicht in Beziehung getreten ist. Er kennt sie nicht oder sie sind die Götter seiner Feinde, aber sie
sind
Götter, weil das Gegenteil nicht vorstellbar ist. Das ist der Sinn jener sakralen Wendung bei Livius (VIII, 9, 6):
di quibus est potestas nostrorum hostiumque
. Das römische Volk gesteht, daß der Kreis seiner Götter nur augenblicklich begrenzt ist, und will durch diese Formel am Ende des Gebets, nachdem die eigenen Götter mit Namen aufgezählt sind, den Rechten der andern nicht zu nahe treten. Nach dem Sakralrecht geht mit der Besitzergreifung fremden Landes die ganze Summe religiöser Verpflichtungen, die an diesem Gebiet und dessen Gottheiten haftet, auf die Stadt Rom über –, das ist die logische Konsequenz des
additiven
antiken Gottgefühls. Daß mit der Anerkennung der Gottheit die der Formen ihres Kultus durchaus nicht gleichbedeutend war, beweist der Fall der Magna Mater von Pessinus, die im zweiten Punischen Kriege auf Grund einer sibyllinischen Weissagung in Rom rezipiert wurde, während ihr höchst unantik gefärbter Kultus – der von miteingewanderten Priestern aus ihrer Heimat ausgeübt wurde – unter strenger polizeilicher Aufsicht stand, und nicht nur römischen Bürgern, sondern selbst deren Sklaven der Eintritt in die Priesterschaft bei Strafe untersagt war. Mit der Aufnahme der Göttin war dem antiken Weltgefühl Genüge getan, mit der persönlichen Ausübung ihres dem Römer verächtlichen Kultus wäre es aber verletzt worden. Das Verhalten des Senats ist in solchen Fällen entscheidend, während das Volk bei der zunehmenden Vermischung mit östlichen Völkerschaften an diesen Kulten Geschmack fand und die römischen Heere der Kaiserzeit infolge ihrer Zusammensetzung sogar einer der wichtigsten Träger des magischen Weltgefühls geworden sind.
    Von hier aus wird der Kult vergötterter Menschen als ein
notwendiges
Element innerhalb dieser religiösen Formenwelt verständlich. Aber man hat scharf zwischen antiken und den oberflächlich ähnlichen orientalischen Erscheinungen zu unterscheiden. Der römische Kaiserkult, d. h. die Verehrung des Genius des lebenden Prinzeps und die der verstorbenen Vorgänger als Divi, ist bisher mit der zeremoniellen Verehrung des Herrschers in vorderasiatischen Reichen, vor allem in Persien, [In Ägypten hat erst Ptolemäus Philadelphus den Herrscherkult eingeführt. Die Verehrung der Pharaonen hatte eine ganz andre Bedeutung.] und noch mehr mit der späteren ganz anders gemeinten Vergötterung der Kalifen, die schon bei Diokletian und Konstantin in voller Ausbildung erscheint, vermengt worden. In der Tat handelt es sich hier um sehr verschiedene Dinge. Mag im Osten die Verschmelzung dieser symbolischen Formen dreier Kulturen einen hohen Grad erreicht haben, in Rom ist der antike Typus unzweideutig und rein verwirklicht worden. Schon einige Griechen wie Sophokles und Lysander, vor allem Alexander, wurden nicht nur von Schmeichlern als Götter ausgerufen, sondern vom Volkstum in einem ganz bestimmten Sinn als solche empfunden. Von der Göttlichkeit eines Dinges, eines Hains, einer Quelle,

Weitere Kostenlose Bücher