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Der Untergang des Abendlandes

Der Untergang des Abendlandes

Titel: Der Untergang des Abendlandes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oswald Spengler
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Reihe berühmter Namen ist darunter –, vom Standpunkt der wirklichen Geschichte aus betrachtet, sind sie minderwertig.
    Das Schicksal einer Nation mitten in den Ereignissen ihrer Welt hängt davon ab, wie weit es der Rasse glückt, diese Erscheinung geschichtlich unwirksam zu machen. Es ist vielleicht heute noch nachzuweisen, daß in der chinesischen Staatenwelt das Reich von Tsin um 250 v. Chr. deshalb den Endsieg erfocht, weil seine Nation allein sich von den Stimmungen des Taoismus frei erhalten hatte. Jedenfalls hat das römische Volk über den Rest der Antike gesiegt, weil es die Fellacheninstinkte des Hellenismus für die Haltung seiner Politik auszuschalten wußte.
    Eine Nation ist Menschentum in lebendige Form gebracht. Das praktische Ergebnis weltverbessernder Theorien ist regelmäßig eine
formlose und deshalb geschichtslose
Masse. Alle Weltverbesserer und Weltbürger vertreten Fellachenideale, ob sie es wissen oder nicht.
Ihr Erfolg bedeutet die Abdankung der Nation innerhalb der Geschichte, nicht zugunsten des ewigen Friedens, sondern zugunsten anderer.
Der Weltfriede ist jedesmal ein einseitiger Entschluß. Die
Pax Romana
hat für die späteren Soldatenkaiser und germanischen Heerkönige nur die eine praktische Bedeutung: eine formlose Bevölkerung von hundert Millionen zum Objekt des Machtwillens kleiner Kriegerschwärme zu machen. Dieser Friede kostete die Friedlichen Opfer, gegen welche die der Schlacht von Cannä verschwinden. Die babylonische, chinesische, indische und ägyptische Welt gingen aus einer Erobererhand in die andere und bezahlten den Kampf mit ihrem eigenen Blute. Das war ihr – Friede. Als die Mongolen 1401 Mesopotamien eroberten, haben sie aus 100 000 Schädeln der Bevölkerung von Bagdad, die sich nicht gewehrt hatte, ein Siegesdenkmal aufgeschichtet. Allerdings, mit dem Erlöschen der Nationen ist eine Fellachenwelt über die Geschichte geistig erhaben, endgültig zivilisiert, »ewig«. Sie kehrt im Reich der Tatsachen in einen natürlichen Zustand zurück, der zwischen langem Dulden und vorübergehendem Wüten auf und ab schwankt, ohne daß mit allem Blutvergießen – das durch keinen Weltfrieden je geringer wird – sich etwas ändert. Einst hatten sie für sich geblutet, jetzt müssen sie es für andere und oft genug nur zu deren Unterhaltung – das ist der Unterschied. Ein handfester Führer, der zehntausend Abenteurer versammelt, kann schalten, wie er will. Gesetzt, die ganze Welt wäre ein einziges Imperium, so wäre damit lediglich der Schauplatz für die Heldentaten solcher Eroberer der denkbar größte geworden.
    Lever doodt als Sklaav: das ist ein altfriesischer Bauernspruch. Die Umkehrung ist der Wahlspruch jeder späten Zivilisation und jede hat erfahren müssen, wieviel es kostet.
     

Drittes Kapitel: Probleme der arabischen Kultur
I. Historische Pseudomorphosen
1
    In einer Gesteinsschicht sind Kristalle eines Minerals eingeschlossen. Es entstehen Spalten und Risse; Wasser sickert herab und wäscht allmählich die Kristalle aus, so daß nur ihre Hohlform übrig bleibt. Später treten vulkanische Ereignisse ein, welche das Gebirge sprengen; glühende Massen quellen herein, erstarren und kristallisieren ebenfalls aus. Aber es steht ihnen nicht frei, es in ihrer eigenen Form zu tun; sie müssen die vorhandenen ausfüllen und so entstehen gefälschte Formen, Kristalle, deren innere Struktur dem äußeren Bau widerspricht, eine Gesteinsart in der Erscheinungsweise einer fremden. Dies wird von den Mineralogen Pseudomorphose genannt.
    Historische Pseudomorphosen nenne ich Fälle, in welchen eine fremde alte Kultur so mächtig über dem Lande liegt, daß eine junge, die hier zu Hause ist, nicht zu Atem kommt und nicht nur zu keiner Bildung reiner, eigener Ausdrucksformen, sondern nicht einmal zur vollen Entfaltung ihres Selbstbewußtseins gelangt. Alles was aus der Tiefe eines frühen Seelentums emporsteigt, wird in die Hohlformen des fremden Lebens ergossen; junge Gefühle erstarren in ältlichen Werken und statt des Sichaufreckens in eigener Gestaltungskraft wächst nur der Haß gegen die ferne Gewalt zur Riesengröße.
    Dies ist der Fall der arabischen Kultur. Ihre Vorgeschichte liegt ganz im Bereiche der uralten babylonischen Zivilisation, [Vgl. Bd. II, S. 756 ff., 767 ff.] die seit zwei Jahrtausenden die Beute wechselnder Eroberer war. Ihre »Merowingerzeit« wird durch die Diktatur der winzigen persischen Stammesgruppe [Sie machte weniger als ein Hundertstel der

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