Der Untergang des Abendlandes
des Eigentums ist nie ein Rassetrieb – ganz im Gegenteil –, sondern der doktrinäre Protest des rein geistigen, städtischen, entwurzelten, das Pflanzenhafte verleugnenden Wachseins von Heiligen, Philosophen und Idealisten. Der mönchische Einsiedler wie der wissenschaftliche Sozialist, heiße er Moh-ti, Zenon oder Marx, verwerfen es aus demselben Grunde; die Menschen von Rasse verteidigen es aus demselben Gefühl. Auch hier stehen sich Tatsachen und Wahrheiten gegenüber. Eigentum ist Diebstahl; das ist in denkbar materialistischer Form der alte Gedanke: Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und nähme doch Schaden an seiner Seele? Der Priester gibt mit dem Eigentum etwas Gefährliches und Fremdes, der Adel sich selbst auf.
Von hier aus entwickelt sich nun ein doppeltes Eigentumsgefühl:
Haben als Macht und Haben als Beute.
Beides liegt im ursprünglichen Rassemenschen unvermittelt nebeneinander. Jeder Beduine und Wikinger will beides zugleich. Der Seeheld ist stets auch Seeräuber; jeder Krieg geht auch um Besitz und zwar vor allem den Besitz von Land; nur ein Schritt ist nötig und der Ritter wird zum Raubritter, der Abenteurer zum Eroberer und König, wie der Normanne Rurik in Rußland und mancher achäische und etruskische Pirat in homerischer Zeit. In aller Heldendichtung findet sich neben der starken und natürlichen Lust am Kampf, an der Macht, am Weibe, und den ungezügelten Ausbrüchen von Glück, Schmerz, Zorn und Liebe die mächtige Freude am »Haben«. Als Odysseus in seiner Heimat landet, zählt er zuerst die Schätze im Boot, und als in der isländischen Saga die Bauern Hjalmar und Ölvarod sehen, daß der andere keine Güter im Schiff hat, lassen sie sofort vom Zweikampf ab: ein Tor, wer aus Übermut und um die Ehre kämpft. Im indischen Heldenepos bedeutet kampflustig soviel wie viehlüstern, und die »kolonisierenden« Griechen des 10. Jahrhunderts waren zunächst Räuber wie die Normannen. Auf dem Meere ist ein fremdes Schiff ohne weiteres gute Prise. Aber aus den Fehden südarabischer und persischer Ritter von 200 n. Chr. und den
guerres privées
der provenzalischen Barone von 1200, die nicht viel mehr waren als Viehdiebstähle, entwickelt sich mit dem Ende der Feudalzeit der große Krieg mit dem Ziel der Eroberung von Land und Leuten. Alles das bringt die hohe adlige Kultur zuletzt in Zucht und Form, während es Priester und Philosophen verachten.
Diese Urtriebe treten mit steigender Kultur weit auseinander und geraten unter sich in Kampf. Die
Geschichte davon ist beinahe die
Weltgeschichte.
Aus dem Machtgefühl stammen
Eroberung, Politik und Recht
, aus dem Beutegefühl stammen
Handel, Wirtschaft und Geld
. Recht ist das Eigentum des Mächtigen. Sein Recht ist das Recht aller. Geld ist die stärkste Waffe des Erwerbenden. Mit ihm unterwirft er sich die Welt. Die Wirtschaft will einen Staat, der schwach ist und ihr dient; die Politik fordert die Einordnung des wirtschaftlichen Lebens in den Machtbereich des Staates: Adam Smith und Friedrich List, Kapitalismus und Sozialismus. Es gibt in allen Kulturen am Anfang einen Kriegs- und einen Kaufmannsadel, dann einen Grund- und Geldadel, zuletzt eine militärische und wirtschaftliche Kriegführung und einen ununterbrochenen Kampf des Geldes mit dem Rechte.
Auf der anderen Seite trennen sich
Priestertum und Gelehrsamkeit
. Sie sind beide nicht auf das Tatsächliche, sondern auf das Wahre gerichtet, beide zur Tabuseite des Lebens und zum Raume gehörig. Die Furcht vor dem Tode ist nicht nur der Ursprung aller Religion sondern auch aller Philosophie und Naturwissenschaft. Aber der heiligen wird nun die profane Kausalität entgegengestellt.
Profan
ist der neue Gegenbegriff zum Religiösen, das die Gelehrsamkeit nur als Dienerin geduldet hatte. Profan ist die gesamte späte Kritik, ihr Geist, ihre Methode und ihr Ziel. Auch die späte Theologie macht davon keine Ausnahme; aber trotzdem bewegt sich die Gelehrsamkeit aller Kulturen durchaus in den Formen des voraufgegangenen Priestertums und beweist damit, daß sie nur aus dem Widerspruch erwachsen und von dem Urbild in allem und jedem abhängig ist und bleibt. Die antike Wissenschaft lebt deshalb in Kultgemeinden orphischen Stils wie die milesische Schule, der Pythagoräerbund, die Ärzteschulen von Kroton und Kos, die attischen Schulen der Akademie, des Peripatos und der Stoa, deren Schulhäupter insgesamt zum Typus des Opferpriesters und Sehers gehören, bis zu den römischen
Weitere Kostenlose Bücher