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Der Untergang des Abendlandes

Der Untergang des Abendlandes

Titel: Der Untergang des Abendlandes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oswald Spengler
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erst seit 1600 entstanden und seit 1861 aufgehoben worden. Hier ist der Boden
Gemeindeland
, und die Dorfbewohner werden nach Möglichkeit festgehalten, um durch dessen Bestellung den Steuerertrag aufbringen zu können.] gab es Freie und Knechte, die Landbau trieben, aber keine
Bauernschaft
. Erst aus dem Gefühl eines tiefen Andersseins gegenüber den beiden symbolischen »Leben« – wenn wir uns des Freidank erinnern – ist dieses Leben Stand geworden,
Nährstand
in der vollen Bedeutung des Wortes, nämlich die Wurzel der großen Pflanze Kultur, die ihre Fasern tief in den mütterlichen Boden gesenkt hat und dumpf und emsig alle Säfte an sich zieht und nach oben sendet, wo Stamm und Wipfel in das Licht der Historie ragen. Er dient dem großen Leben nicht nur durch die Nahrung, die er dem Boden abgewinnt, sondern auch mit jenem andern Ertrag der Mutter Erde, seinem eigenen Blut, das aus den Dörfern jahrhundertelang in die hohen Stände strömt, dort ihre Formen empfängt und ihr Leben aufrecht erhält. Der ständische Ausdruck dafür ist die
Hörigkeit
– mögen ihre Anlässe im Oberflächenbild der Geschichte sein, welche sie wollen –, die sich 1000–1400 im Abendlande und »gleichzeitig« in allen andern Kulturen entwickelt hat. Das spartanische Helotentum gehört ebenso dahin wie die altrömische Klientel, aus welcher seit 471 die
ländliche
Plebs, also ein freier Bauernstand hervorgegangen ist. [Siehe weiter unten.] Erstaunlich ist die Macht dieses Strebens nach sinnbildlicher Form in der Pseudomorphose des »spätrömischen« Ostens, wo die von Augustus begründete Kastenordnung des Prinzipats mit ihrer Unterscheidung von senatorischem und ritterlichem Beamtentum sich rückwärts entwickelt, bis sie um 300 überall dort, wo magisches Weltgefühl die Herrschaft führt, auf dem frühgotischen Stande von 1300 und damit auf dem des Sassanidenreichs [Brentano, Byzant. Volkswirtschaft (1917), S. 15.] angelangt ist. Aus der Beamtenschaft einer hochzivilisierten Verwaltung entwickelt sich ein kleiner Adel, die Dekurionen, Dorfritter und Stadtpatrizier, die dem Herrn für alle Abgaben mit Leib und Vermögen haftbar sind – ein durch Rückbildung entstandenes Lehnswesen – und deren Stellung allmählich erblich wird, ganz wie unter der 5. ägyptischen Dynastie, wie in den ersten Jahrhunderten der Dschou, wo schon I-wang (934–909) die Eroberungen den Vasallen überlassen mußte, die Grafen und Vögte ihrer Wahl einsetzten, und wie während der Kreuzzüge. Ebenso wird der Offiziers- und Soldatenstand erblich – die Lehnspflicht der Heeresfolge –, was alles Diokletian dann gesetzlich festgelegt hat. Der Einzelne wird dem Stande fest eingegliedert
(corpori adnexus)
, und das Prinzip wird als Zunftzwang wie in gotischer und frühägyptischer Zeit auf alle Gewerbe ausgedehnt. Vor allem aber entsteht mit innerer Notwendigkeit aus der spätantiken Latifundienwirtschaft mit Sklaven [Der antike Sklave verschwindet in diesen Jahrhunderten ganz von selbst, eins der deutlichsten Zeichen für das Erlöschen des antiken Welt- und also auch Wirtschaftsgefühls.] das Kolonat erblicher Kleinpächter, während die Gutsbezirke Verwaltungssprengel werden und der Gutsherr die Abgaben zu erheben und das Soldatenkontingent zu stellen hat. [Belisar stellte aus seiner eigenen Herrschaft 7000 Reiter für den Gotenkrieg. Das hätten unter Karl V. nur sehr wenige deutsche Fürsten vermocht.] Zwischen 250 und 300 wird der Kolone gesetzlich an die Scholle gefesselt,
glebae adscriptus; damit ist der ständische Unterschied von Feudalherrn und Hörigen erreicht
. [Pöhlmann, Rom. Kaiserzeit (Pflugk-Harttungs Weltgesch. I), S. 600 f.]
    Adel und Priestertum sind als Möglichkeiten mit jeder neuen Kultur gegeben. Die scheinbaren Ausnahmen beruhen lediglich auf einem Mangel an greifbarer Überlieferung. Wir wissen heute, daß ein wirklicher Priesterstand im alten China vorhanden war, [Vgl. Bd. II, S. 909.] und für die Anfänge orphischer Religiosität im 11. Jahrhundert v. Chr. ist die Annahme eines Priestertums als Stand, der auch durch die epischen Gestalten des Kalchas und Teiresias angedeutet wird, selbstverständlich. Ebenso setzt die Entwicklung des ägyptischen Lehnsstaates einen Uradel schon für die 3. Dynastie voraus. [Trotz Ed. Meyer, Gesch. d. Altertums I, § 243.] Aber in welcher Form und Stärke diese Stände sich verwirklichen und dann in die folgende Geschichte eingreifen, sie schaffen, tragen und sogar durch ihre eigenen

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