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Der Untergang des Abendlandes

Der Untergang des Abendlandes

Titel: Der Untergang des Abendlandes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oswald Spengler
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fünf Leute da seien, die noch dazu in der Wirklichkeit einer andern angehörten. Aber diese fünf waren auch nur da, um sich von den Machthabern kaufen zu lassen. Und kaum fünfzig Jahre vorher waren die Italiker in Masse für eben dieses Wahlrecht gefallen.] Es hat dem großen Tiberius das Leben verbittert, daß die fähigsten Männer seiner Zeit sich von aller Politik zurückhielten, und Nero konnte auch durch Drohungen die Ritter nicht mehr zwingen, zur Ausübung ihrer Rechte nach Rom zu kommen. Das ist das Ende der großen Politik, die einst ein Ersatz des Krieges durch geistigere Mittel gewesen war und nun dem Kriege in seiner ursprünglichsten Gestalt wieder Platz macht.
    Es heißt deshalb den Sinn der Zeit vollständig verkennen, wenn Mommsen [Und merkwürdigerweise auch Ed. Meyer in seinem Meisterwerk »Cäsars Monarchie«, der einzigen Arbeit von staatsmännischem Range über diese Zeit (und vorher schon in dem Aufsatz über Kaiser Augustus, Kl. Schr. S. 441 ff.). ] eine tiefsinnige Zergliederung der von Augustus geschaffenen »Dyarchie« mit ihrer Gewaltenteilung zwischen Prinzeps und Senat vornimmt. Ein Jahrhundert vorher wäre diese Verfassung etwas Wirkliches gewesen, eben deshalb aber auch keinem der damaligen Gewaltmenschen in den Sinn gekommen. Jetzt bedeutet sie nichts als den Versuch einer schwachen Persönlichkeit, sich über unwiderrufliche Tatsachen durch bloße Formen hinwegzutäuschen. Cäsar sah die Dinge, wie sie waren, und richtete seine Herrschaft ohne Sentimentalität nach praktischen Gesichtspunkten ein. Die Gesetzgebung seiner letzten Monate beschäftigte sich ausschließlich mit Übergangsbestimmungen, von denen keine einzige für die Dauer gedacht war. Eben das hat man immer übersehen. Er war ein viel zu tiefer Kenner der Dinge, um in diesem Augenblick, dicht vor dem Partherfeldzug, die Entwicklung vorauswissen und endgültige Formen für sie festsetzen zu wollen. Augustus aber war wie vor ihm Pompejus nicht der Herr seines Anhangs, sondern durchaus von ihm und dessen Anschauungen abhängig. Die Form des Prinzipats ist gar nicht seine Erfindung, sondern die doktrinäre Durchführung eines veralteten Parteiideals, das ein anderer Schwächling, Cicero, entworfen hatte. [
De re publica
vom Jahre 54, eine für Pompejus bestimmte Denkschrift.] Als Augustus am 13. Januar 27 in einer ehrlich gemeinten, aber eben deshalb um so sinnloseren Szene dem »Senat und Volk von Rom« die Staatsgewalt zurückgab, behielt er das Tribunat für sich, und das war in der Tat das einzige Stück politischer Wirklichkeit, das damals zum Vorschein kam. Der Tribun war der legitime Nachfolger des Tyrannen, [Vgl. Bd. II, S. 1052.] und schon C. Gracchus hatte 122 dem Titel einen Inhalt gegeben, der nicht mehr durch die gesetzmäßigen Schranken eines Amtes, sondern nur noch durch die persönlichen Talente des Inhabers begrenzt wurde. Von ihm führt eine gerade Linie über Marius und Cäsar zu dem jungen Nero, als er den politischen Absichten seiner Mutter Agrippina entgegentrat. Dagegen war der Prinzeps [Vgl. Bd. II, S. 1071.] von nun an ein Kostüm, ein Rang, vielleicht eine gesellschaftliche, sicherlich aber nicht mehr eine politische Tatsache. Gerade dieser Begriff war in der Theorie Ciceros mit einem verklärenden Schimmer umgeben und
schon von
ihm
mit dem des Divus verbunden worden. [Im Somnium Scipionis VI, 26, wo der ein Gott genannt wird, der den Staat so regiert,
quam hunc mundum ille princeps deus.
] Dagegen ist die »Mitarbeit« von Senat und Volk eine altertümliche Zeremonie, in der nicht mehr Leben enthalten war als in den ebenfalls von Augustus wieder hergestellten Bräuchen der Arvalbrüder. Aus den großen Parteien der Gracchenzeit waren längst Gefolgschaften geworden, Cäsarianer und Pompejaner, und endlich war auf der einen Seite die formlose Allgewalt geblieben, »die Tatsache« im brutalsten Sinne, »der Cäsar« oder wer ihn unter seinen Einfluß zu bringen vermochte, und auf der andern Seite das Häuflein beschränkter Ideologen, die ihr Mißvergnügen hinter einer Philosophie verbargen und von da aus mit Verschwörungen ihrem Ideal aufzuhelfen suchten. Es waren in Rom die Stoiker, in China die Konfuzianer. Erst jetzt versteht man die berühmte »große Bücherverbrennung«, die der chinesische Augustus 212 v. Chr. anordnete und die in den Köpfen später Literaten den Schein einer ungeheuerlichen Barbarei angenommen hat. Aber Cäsar war den stoischen Schwärmern für ein unmöglich

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