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Der Untergang des Abendlandes

Der Untergang des Abendlandes

Titel: Der Untergang des Abendlandes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oswald Spengler
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ägyptische Welt ein Jahrhundert lang gewesen sind, darauf kommt es an. Im östlichen Delta haben sie zuletzt einen Staat begründet und eine Residenz, Auaris, gebaut. [Ein Blick auf den Negerstaat im Irak und die »gleichzeitigen« Versuche des Spartakus, Sertorius, Sextus Pompejus genügt, um die Zahl der Möglichkeiten zu ahnen. Weill nimmt an: 1785–65 Zerfall des Reiches; ein Usurpator (General). 1765–1675 viele kleine Machthaber, im Delta ganz unabhängig. 1675–33 Kämpfe um die Einheit, vor allem der Fürsten von Theben mit ihrem stets wachsenden Gefolge abhängiger Herrscher, darunter der Hyksos. 1633 Sieg der Hyksos und Niederlage der Thebaner. 1591–71 Endsieg der Thebaner. Siehe Tabelle I, Bd. I, S. 70. H. K.] Einer ihrer Führer, Chian, der sich statt des Pharaonentitels die ganz revolutionären Namen »Umarmer der Länder« und »Fürst der jungen Mannschaft« gab – ebenso revolutionär wie »
consul sine collega
« und »
dictator perpetuus
« in cäsarischer Zeit –, ein Mann vielleicht wie Johann Tzimiskes, gebot über ganz Ägypten und trug seinen Namen bis nach Kreta und an den Euphrat. Aber nach ihm beginnt der Kampf aller Gaue um das Imperium und aus ihm geht mit Amosis die Dynastie von Theben als Sieger hervor.
    Für uns hat das Zeitalter der kämpfenden Staaten mit Napoleon und der Gewaltsamkeit seiner Maßregeln begonnen. In seinem Kopf ist zuerst der Gedanke einer militärischen und zugleich volkstümlichen Weltherrschaft wirksam geworden, etwas ganz anderes als das Reich Karls V. und das englische Kolonialreich noch zu seiner Zeit. Wenn das 19. Jahrhundert an großen Kriegen – und Revolutionen – arm gewesen ist und die schwersten Krisen auf Kongressen diplomatisch überwunden hat, so beruht das gerade auf einer beständigen so ungeheuren Bereitschaft zum Kriege, daß die Furcht vor den Folgen in letzter Stunde immer wieder zur Vertagung der endgültigen Entscheidung und zum Ersatz des Krieges durch politische Schachzüge geführt hat. Denn dieses Jahrhundert ist das der stehenden Riesenheere und der allgemeinen Wehrpflicht. Wir sind ihm noch zu nahe, um das Schauerliche dieses Anblicks und das Beispiellose innerhalb der gesamten Weltgeschichte zu empfinden. Seit Napoleon stehen beständig Hunderttausende, zuletzt Millionen marschbereit, liegen gewaltige Flotten, die alle zehn Jahre erneuert werden, in den Häfen. Es ist ein Krieg ohne Krieg, ein Krieg des Überbietens mit Rüstungen und Schlagfertigkeit, ein Krieg der Zahlen, des Tempos, der Technik, und die Diplomaten verhandeln nicht von Hof zu Hof, sondern von Hauptquartier zu Hauptquartier. Je länger die Entladung verzögert wird, desto ungeheuerlicher werden die Mittel, desto unerträglicher wächst die Spannung. Das ist die faustische, die dynamische Form der kämpfenden Staaten in ihrem ersten Jahrhundert, aber sie ist mit der Entladung des Weltkriegs zu Ende. Denn durch das Aufgebot dieser vier Jahre ist das der französischen Revolution entstammende, in dieser Form durch und durch revolutionäre Prinzip der allgemeinen Wehrpflicht samt den aus ihr entwickelten taktischen Mitteln überwunden. [Sie mag als begeisternde Idee festgehalten werden; in die Wirklichkeit umgesetzt wird sie nie wieder.] An Stelle der stehenden Heere werden von nun an allmählich Berufsheere freiwilliger und kriegsbegeisterter Soldaten treten, an Stelle der Millionen wieder die Hunderttausende, aber eben damit wird dieses zweite Jahrhundert wirklich das der kämpfenden Staaten sein. Das bloße Dasein dieser Heere ist kein Ersatz des Krieges. Sie sind für den Krieg da und sie wollen ihn. In zwei Generationen werden sie es sein, deren Wille stärker ist als der aller Ruhebedürftigen. In diesen Kriegen um das Erbe der ganzen Welt werden Kontinente angesetzt, Indien, China, Südafrika, Rußland, der Islam aufgeboten, neue Techniken und Taktiken gegeneinander ausgespielt werden. Die großen weltstädtischen Machtmittelpunkte werden über die kleineren Staaten, ihr Gebiet, ihre Wirtschaft und Menschen nach Gutdünken verfügen; das alles ist nur noch Provinz, Objekt, Mittel zum Zweck; sein Schicksal ist ohne Bedeutung für den großen Gang der Dinge. Wir haben in wenigen Jahren gelernt, Ereignisse kaum noch zu beachten, die vor dem Kriege die Welt hätten erstarren lassen. Wer denkt heute ernsthaft an die Millionen, die in Rußland zugrunde gehen? Daß zwischen diesen Katastrophen voller Blut und Entsetzen immer wieder der Ruf nach Völkerversöhnung

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