Der Untergang des Abendlandes
Ciceros. Es ist wie überall: die Wahlen sind aus der Ernennung von Standesvertretern zum Kampf zwischen Parteikandidaten geworden. Aber damit ist die Arena gegeben, in der das Geld angreift und zwar seit Zama mit ungeheurer Steigerung der Dimensionen. »Je größer der Reichtum wurde, der sich in den Händen einzelner konzentrieren konnte, desto mehr gestaltete sich der Kampf um die politische Macht zu einer Geldfrage.« [Gelzer, Nobilität, S. 94. Das Buch enthält neben Ed. Meyers »Cäsar« den besten Überblick über die römische demokratische Methode.] Damit ist alles gesagt. Aber es ist in einem tieferen Sinne trotzdem falsch, von Korruption zu reden. Es ist nicht die Ausartung der Sitte, es ist die Sitte selbst, die der reifen Demokratie, welche mit schicksalhafter Notwendigkeit solche Formen annimmt. Der Censor Appius Claudius (310), ohne Zweifel ein echter Hellenist und Verfassungsideologe (wie nur irgend jemand aus dem Kreise der Madame Roland), hat bei seinen Reformen sicherlich stets an Wahlrechte und nicht an die Kunst, Wahlen zu machen, gedacht, aber jene Rechte bereiten dieser Kunst nur den Weg. Die Rasse kommt erst in dieser zum Vorschein und setzt sich sehr bald vollkommen durch. Innerhalb einer Diktatur des Geldes kann aber die Arbeit des Geldes nicht als Verfall bezeichnet werden.
Die römische Ämterlaufbahn forderte, seit sie sich in der Form von Volkswahlen vollzog, ein Kapital, das den angehenden Politiker zum Schuldner seiner ganzen Umgebung machte. Vor allem die Ädilität, wo man durch öffentliche Spiele die Vorgänger überbieten mußte, um später die Stimmen der Zuschauer zu haben. Sulla fiel bei der ersten Bewerbung um die Prätur durch, weil er nicht Ädil gewesen war. Dann das glänzende Gefolge, mit dem man sich täglich auf dem Forum zu zeigen hatte, um der müßigen Menge zu schmeicheln. Ein Gesetz verbot das Geleit gegen Bezahlung, aber die Verpflichtung von Vornehmen durch Darlehen, Empfehlung zu Ämtern und Geschäften und Verteidigung vor Gericht, die diese wiederum zu Begleitung und zu täglichen Morgenbesuchen verpflichtete, war teurer. Pompejus war Patron der halben Welt, von den picenischen Bauern an bis zu den Königen im Orient; er vertrat und beschützte alles; das war sein politisches Kapital, das er gegen die zinslosen Darlehen des Crassus und die »Vergoldung« [
Inaurari,
zu welchem Zweck Cicero seinen Freund Trebatius an Cäsar empfahl.] aller Ehrgeizigen durch den Eroberer Galliens einsetzen konnte. Man läßt den Wählern bezirksweise Frühstücke servieren, [
Tributim ad prandium vocare,
Cicero pro Murena 72.] Freiplätze für die Gladiatorenspiele anweisen oder auch wie Milo unmittelbar Geld ins Haus senden. Cicero nennt das »die Sitten der Väter achten«. Das Wahlkapital nahm amerikanische Dimensionen an und betrug zuweilen Hunderte von Millionen Sesterzen. Bei den Wahlen von 54 stieg der Zinsfuß von 4 auf 8%, weil der größte Teil der ungeheuren Bargeldmasse, die in Rom vorhanden war, in der Agitation festgelegt wurde. Cäsar hatte als Ädil so viel ausgegeben, daß Crassus für 20 Millionen bürgen mußte, damit die Gläubiger ihm die Abreise in die Provinz gestatteten, und bei der Wahl zum Pontifex maximus hatte er seinen Kredit noch einmal so überspannt, daß sein Gegner Catulus ihm Geld für den Rücktritt bieten konnte, weil er im Fall einer Niederlage verloren war. Aber die auch deshalb unternommene Eroberung und Ausbeutung Galliens machte ihn zum reichsten Mann der Welt; hier ist eigentlich Pharsalus schon gewonnen worden. [Es handelt sich um Milliarden von Sesterzen, die seitdem durch seine Hände gingen. Die Weihgeschenke der gallischen Tempel, die er in Italien ausbieten ließ, riefen einen Sturz des Goldwertes hervor. Vom König Ptolemäus erpreßten er und Pompejus für die Anerkennung 144 (und Gabinius noch einmal 240) Millionen. Der Konsul Aemilius Paulus (50) wurde mit 36, Curio mit 60 Millionen erkauft. Man kann daraus auf die vielbeneideten Vermögen seiner näheren Umgebung schließen. Bei dem Triumph von 46 erhielt jeder der weit über hunderttausend Soldaten je 24000 Sesterzen, die Offiziere noch ganz andere Summen. Trotzdem reichte der Staatsschatz nach seinem Tode aus, um die Stellung des Antonius zu sichern.] Denn Cäsar hat diese Milliarden um der
Macht
willen erobert, wie Cecil Rhodes, und nicht aus Freude am Reichtum, wie Verres und im Grunde auch Crassus, ein großer Geldmann mit politischem Nebenberuf. Er begriff, daß auf
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