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Der Untergang

Der Untergang

Titel: Der Untergang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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und bei Kräften, aber
er war noch weit davon entfernt, so stark wie früher zu sein.
Elena hatte ihm fast seine ganze Kraft genommen, und er konnte es sich einfach nicht leisten, auch nur
einen Atemzug damit zu verschwenden, sich unter Umständen aus einem Hinterhalt freizukämpfen. Dass
er Anka besiegt hatte, hatte mehr mit Glück als mit irgend etwas anderem zu tun, und Andrej war nicht so
vermessen, einfach darauf zu bauen, dass ihm sein Glück auch treu blieb.
Der Himmel im Osten begann sich rot zu färben, als er in den Wald eindrang und sich dem Dunkel mit der
ausgebrannten Ruine der alten Mühle aus Richtung der Stadt näherte. Der Wald schien jetzt, bei Nacht,
noch unheimlicher und lebensfeindlicher als das erste Mal, als er hier gewesen war, aber etwas hatte sich
verändert. Nicht alles Leben war erloschen. Irgendwo vor ihm hallten die lautlosen Entsetzensschreie
sterbender Seelen durch die Nacht, und er konnte das Blut riechen, noch bevor die Mühle in Sichtweite
kam und er sein Pferd zügelte. Vielleicht kam er schon zu spät.
Dennoch ritt er nur noch ein kleines Stück weiter, bevor er ganz abstieg, das Tier wenige Schritte weit in
den Wald hineinführte und seine Zügel an einem Ast festband. Er glaubte jetzt, Schreie zu hören,
vielleicht auch Kampflärm, aber er war nicht ganz sicher. Für die Dauer einiger schwerer Herzschläge
blieb er stehen, schloss die Augen und versuchte auch, die schrecklichen Geräusche zu ignorieren, um auf
einer anderen, weiter reichenden Ebene in den Wald hineinzulauschen.
Sie waren da. Er konnte ihre finstere Präsenz spüren, wie einen Pesthauch, der die Nacht durchzog, und
jetzt fühlte er auch noch etwas. Etwas, das die ganze Zeit über da gewesen war, vom ersten Tag an, als er
das Lager der vermeintlichen Sinti betreten hatte, nur, dass er es niemals bemerkt hatte weil etwas ihn
daran hinderte.
Andrej zog sein Schwert aus dem Gürtel und lief los. Trotz seiner scharfen Augen und des immer lauter
werdenden Kampflärmes, der ihm den Weg wies, lief er ein gutes Stück weit in die falsche Richtung, ehe
er seinen Irrtum erkannte und seinen Kurs korrigierte. Statt unmittelbar unter der Mühle aus dem Wald zu
treten, ragte der mit Ruß und verbrannten Trümmern bedeckte Hügel vor ihm auf, sodass er sich mühsam
seinen Weg durch die verkohlte Ruine bahnen musste, ehe er sah, was sich auf der anderen Seite
abspielte.
Er hatte sich nicht getäuscht. Es war Kampflärm gewesen, den er gehört hatte, und er kam zu spät. Am
Waldrand auf der anderen Seite des Weges, fast genau dort, wo Elenas Kinder gestanden hatten, als Abu
Dun und er in der Mühle gewesen waren, war etwa ein Dutzend Pferde angebunden. Bei den meisten
handelte es sich um derbe Tiere, die eher dazu geeignet schienen, einen Wagen zu ziehen als einen Reiter
zu tragen, zumindest drei indes waren unverkennbar Schlachtrösser, und eines trug eine prachtvolle
Schabracke, deren Gold- und Silberstickereien selbst in der Nacht noch glänzten.
Die Männer, die auf diesen Pferden geritten waren, lagen erschlagen auf dem Hügel.
Andrej schloss für einen Moment die Augen, konzentrierte sich und stellte fest, dass noch nicht aus allen
Körpern das Leben gewichen war, und als er aus der Ruine hervor und ins helle Mondlicht trat, hörte er
ein halblautes Wimmern.
Aber das würde nicht mehr lange so bleiben, denn der Mann, der dieses Gemetzel angerichtet hatte - ein
ganz in Schwarz gekleideter Hüne - versetzte genau in diesem Moment einem der wenigen Überlebenden
den Todesstoß. Dann drehte sich Abu Dun herum und ging langsam zum Weg zurück. Andrej verbarg sich
im Schutz der Ruine, als er spürte, wie sich in den Schatten auf der anderen Seite des Weges etwas regte.
Aufmerksam beobachtete er aus seinem Versteck heraus, was weiter geschah.
Die Gestalt, der sich Abu Dun nun mit seinem blutigen Säbel näherte, unterschied sich deutlich von den
anderen. Es war kein Krieger, sondern ein hoch gewachsener, sehr schlanker Mann, der einen
prachtvollen roten Mantel trug und neben dem eine spitze, ebenfalls mit Gold- und Silberstickereien
verzierte Mütze im Schlamm lag. Er war verletzt. Sein Gesicht war blutüberströmt, und es hätte Andrejs
übersinnlicher Kräfte nicht bedurft, um die blanke Todesangst zu erkennen, die in seinem Blick lag. Als
Abu Dun vor ihm stehen blieb und den Säbel hob, riss der Mann entsetzt beide Hände vor das Gesicht und
begann zu wimmern.
Doch Abu Dun schlug nicht zu. Er stand einfach reglos da und starrte

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