Der Untergang
gestellt. Also gibt es keinen Grund mehr, länger zu bleiben.«
»Vielleicht habe ich noch nicht alle Antworten bekommen«, sagte Andrej.
»Du wirst von Anka nicht mehr hören, als du bereits gehört hast«, erwiderte Laurus. »Denn du wirst nicht
mehr mit ihr reden.
Und jetzt geh und arbeite für dein Essen und deine Unterkunft.«
Natürlich war Andrej nicht sofort zu Bason gegangen, sondern hatte zuerst nach Abu Dun gesucht und ihn
in dem kleinen Zelt am Rande des Lagers gefunden, in dem sie gemeinsam die beiden ersten Nächte
verbracht hatten. Zu seiner Überraschung war der Nubier bereits erwacht, und, zwar noch müde und
schwach vom Fieber, das ihm die ganze Nacht über zugesetzt hatte, zugleich aber doch in deutlich
besserer Verfassung, als er erwartet hätte. Sie waren nicht allein. Eine der beiden Sinti-Frauen, die sich
bereits am Vortag um Pater Flock gekümmert hatten, saß jetzt an Abu Duns Lager, und sie machte auch
keine Anstalten, zu gehen, als Andrej ins Zelt kam. Andrej war das im Moment sogar Recht. Abu Dun war
noch schwach, zugleich aber auch schon wieder wach genug, um reden und ihn mit finsteren Blicken
geradezu aufspießen zu können, und er konnte sich lebhaft vorstellen, was der Nubier ihm zu sagen hatte.
Und auch, wenn er mit dem meisten davon zweifellos Recht haben würde, so fühlte sich Andrej im
Moment einer weiteren, sinnlosen Auseinandersetzung mit dem Nubier nicht gewachsen. Er erkundigte
sich nach seinem Befinden, und sie tauschten noch einige Belanglosigkeiten aus, dann verließ er das Zelt
wieder und machte sich auf die Suche nach Bason.
Der junge Sinti kam ihm auf halbem Wege entgegen, während er sich der Mitte des Lagers näherte. Schon
von weitem winkte er Andrej aufgeregt zu. »Andreas!«, rief er.
»Ich sehe, es geht dir wieder besser. Das ist gut. Laurus hat mir gesagt, dass ich dich suchen soll.«
»Er sagt, du hättest Arbeit für mich«, antwortete Andrej bewusst unfreundlich.
»Das bist du mir schuldig, oder? Immerhin habe ich meinen Teil der Abmachung eingehalten. Du hast
doch mit Anka gesprochen?«
»Jemand hat Laurus verraten, dass ich bei ihr war«, sagte Andrej.
»Ich war es jedenfalls nicht«, versicherte Bason, hörte aber nicht auf, ihn dabei anzustrahlen. »Das wäre
auch ziemlich dumm von mir, findet du nicht? Immerhin könnte er fragen, wer dieses Treffen arrangiert
hat.«
»Arrangiert kam es mir eigentlich nicht vor«, erwiderte Andrej, aber Bason schüttelte nur heftig den Kopf.
»Glaub’ mir, Andreas, Anka mag ein bisschen wunderlich sein, aber sie spricht mit niemandem, mit dem
sie nicht sprechen will. Und es gibt nicht mehr viele Menschen, mit denen sie sprechen will. Es war nicht
einmal einfach, sie zu überreden.«
Andrej sah sein schlankes Gegenüber nachdenklich an. Er war ziemlich sicher, dass Bason die Wahrheit
sagte, was Laurus anging - so unfreundlich, wie er mit ihm, einem Fremden, gesprochen hatte, würde er
seinem Adoptivsohn wahrscheinlich den Kopf abreißen, wenn er erführe, dass er das Treffen zwischen der
Puuri Dan und Andrej arrangiert hatte. Trotzdem hatte er das vage Gefühl, dass irgend etwas an Basons
Worten nicht stimmte.
Allerdings nur für einen Moment. Dann gewann Basons strahlendes Lächeln die Oberhand, und Andrej
schalt sich in Gedanken selbst einen Narren. Er war einfach zu misstrauisch.
Bason mochte ein wenig naiv sein, aber er war einfach niemand, der einen anderen hintergehen würde.
»Also, was soll ich tun?«, fragte er. »Fünfzig Klafter Holz hacken, hundert Fässer Wasser vom Bach
heraufholen, oder zwanzig Wildpferde zureiten?«
Basons Grinsen wurde breiter. »Mir das Schwertfechten beibringen«, sagte er.
»Wie?« Andrej blinzelte.
Bason nickte heftig. »Du hast vorgestern nicht viel gesagt, als du unsere Probe zugesehen hast, aber du
hast auf eine ganz bestimmte Art nichts gesagt, weiß du? Ich hätte schon blind sein müssen, um nicht zu
sehen, was du von unserer Aufführung hältst.«
Andrej war höflich genug, nicht darauf zu antworten.
»Du hast Recht«, gestand Bason. »Am Anfang wollte ich es nicht wahrhaben, aber ich habe den ganzen
Tag darüber nachgedacht. Vor allem, nachdem ich deinem Freund, dem Muselmanen, zugesehen habe.
Meine beiden sogenannten Schwertkämpfer sind erbärmlich.« Er machte eine Kopfbewegung auf die
Stelle, an der Andrejs Schwert gehangen hätte, hätte er den Waffengurt umgebunden. »Bring’ mir bei, wie
man mit einem Schwert umgeht.«
»Wie kommst du darauf, dass ich das
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