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Der Untertan

Der Untertan

Titel: Der Untertan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Mann
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Diederich bewilligte es ihm großmütig.
    Nachdem dermaßen die politische Haltung auf der gesunden Grundlage der Interessen festgelegt war, konnte man sich mit gutem Gewissen der Begeisterung hingeben, die, wie Pastor Zillich erklärte, von Gott kam und auch der besten Sache erst die höhere Weihe lieh, und so begab man sich in den Ratskeller.
    In aller Frühe, als die vier Herren heimgingen, klebten an den Mauern zwischen den weißen Wahlaufrufen Heuteufels und den roten des Genossen Fischer die schwarz-weiß-rot geränderten Plakate, die Herrn Major Kunze als Kandidaten der »Partei des Kaisers« empfahlen. Diederich pflanzte sich so fest, als es ihm möglich war, davor auf und las mit schneidiger Tenorstimme: »Vaterlandslose Gesellen des aufgelösten Reichstages haben es gewagt, unserem herrlichen Kaiser die Machtmittel zu versagen, deren er zur Größe des Reiches bedarf... Wollen uns des großen Monarchen würdig erweisen und seine Feinde zerschmettern! Einziges Programm: Der Kaiser! Die für mich und die wider mich: Umsturz und ›Partei des Kaisers‹!« Kühnchen, Zillich und Kunze bekräftigen alles mit Geschrei; und da einige Arbeiter, die in die Fabrik gingen, erstaunt stehenblieben, drehte Diederich sich um und erläuterte ihnen das nationale Manifest. »Leute!« rief er. »Ihr wißt gar nicht, was ihr für ein Schwein habt, daß ihr Deutsche seid. Denn um unseren Kaiser beneidet uns die ganze Welt, habe mich soeben im Ausland persönlich davon überzeugt.« Hier schlug Kühnchen mit der Faust auf dem Anschlagbrett einen Tusch, und die vier Herren schrien hurra, indes die Arbeiter ihnen zusahen. »Wollt ihr, daß euer Kaiser euch Kolonien schenkt?« fragte Diederich sie. »Na also. Dann schärft ihm gefälligst das Schwert! Wählt keinen vaterlandslosen Gesellen, das verbitte ich mir, sondern einzig den Kandidaten des Kaisers, Herrn Major Kunze: sonst garantiere ich euch keinen Augenblick für unsere Stellung in der Welt, und es kann euch passieren, daß ihr mit zwanzig Mark weniger Lohn alle vierzehn Tage nach Hause geht!« Hier sahen die Arbeiter stumm einander an, und dann setzten sie sich wieder in Bewegung.
    Aber auch die Herren verloren keine Zeit. Kunze selbst ging auf steifen Beinen an die Aufgabe, den Mitgliedern des Kriegervereins den Standpunkt klarzumachen. »Wenn die Kerls glauben«, erklärte er, »sie können künftig noch den freien Gewerkschaften angehören! Den Freisinn treiben wir ihnen noch aus! Von heute ab greift 'ne schärfere Tonart Platz!« Pastor Zillich verhieß eine verwandte Tätigkeit in den christlichen Vereinen, indes Kühnchen zum voraus von der frischen Begeisterung seiner Primaner schwärmte, die auf Fahrrädern die Stadt durcheilen und Wähler herbeischleppen sollten. Das rastloseste Pflichtgefühl aber beseelte doch Diederich. Er verschmähte jede Ruhe; seiner Gattin, die im Bett lag und ihn mit Vorwürfen empfing, erwiderte er blitzend: »Mein Kaiser hat ans Schwert geschlagen, und wenn mein Kaiser ans Schwert schlägt, dann gibt es keine ehelichen Pflichten mehr. Verstanden?« Worauf Guste sich schroff herumwarf und das mit ihren hinteren Reizen ausgefüllte Federbett wie einen Turm zwischen sich und den Ungefälligen stellte. Diederich unterdrückte das Bedauern, das ihn beschleichen wollte, und schrieb ungesäumt einen Warnruf gegen das freisinnige Säuglingsheim. Die »Netziger Zeitung« brachte ihn auch, obwohl sie vor zwei Tagen aus der Feder des Herrn Doktor Heuteufel eine überaus warme Empfehlung des Säuglingsheims gebracht hatte. Denn, wie der Redakteur Nothgroschen hinzusetzte, das Organ des gebildeten Bürgertums war es seinen Abonnenten schuldig, an jede neu auftauchende Idee vor allem den Prüfstein seines Kulturgewissens zu legen. Und dies tat Diederich in geradezu vernichtender Weise. Für wen war so ein Säuglingsheim naturgemäß in erster Linie bestimmt? Für die unehelichen Kinder. Was begünstigte es also? Das Laster. Hatten wir das nötig? Nicht die Spur; »denn wir sind Gott sei Dank nicht in der traurigen Lage der Franzosen, die durch die Folgen ihrer demokratischen Zuchtlosigkeit schon so gut wie auf den Aussterbeetat gesetzt sind. Die mögen uneheliche Geburten preiskrönen, weil sie sonst keine Soldaten mehr haben. Wir aber sind nicht angefault, wir erfreuen uns eines unerschöpflichen Nachwuchses! Wir sind das Salz der Erde!« Und Diederich rechnete den Abonnenten der »Netziger Zeitung« vor, bis wann sie und ihresgleichen hundert

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