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Der Untertan

Der Untertan

Titel: Der Untertan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Mann
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Stadt, die Einweihung solch eines Denkmals zog weite Kreise, Netzig hatte Aussicht, seinen schlechten Ruf als demokratischer Sumpf zu verlieren und in die Gnadensonne zu rücken. Dabei dachte Diederich an seinen Pakt mit Wulckow, über den er auch lieber hinging. »Dem Manne aber, der so unendlich viel für uns alle erreicht und errungen hat —«, er zeigte schwungvoll auf Kunze, »dem Manne wird unsere liebe alte Stadt ganz sicher auch dereinst ein Denkmal setzen. Er und Kaiser Wilhelm der Große werden einander anblicken —« — »Und die Zunge zeigen«, schloß der Major, der bei seinem Unglauben verharrte. »Wenn Sie meinen, die Netziger warten nur auf den großen Mann, der sie mit klingendem Spiel in das nationale Lager führt, warum spielen Sie dann nicht selbst den großen Mann?« Und er bohrte sich in Diederichs Augen. Aber Diederich riß sie nur noch ehrlicher auf; er legte die Hand auf das Herz. »Herr Major! Meine wohlbekannte kaisertreue Gesinnung hat mir schon schwerere Prüfungen auferlegt als eine Kandidatur für den Reichstag, und die Prüfungen, das darf ich sagen, hab ich bestanden! Dabei hab ich mich nicht gescheut, als Vorkämpfer der guten Sache, allen Haß der Schlechtgesinnten auf meine Person zu laden, und hab es mir dadurch unmöglich gemacht, die Frucht meiner Opfer selbst einzustecken. Mich würden die Netziger nicht wählen, meine Sache werden sie wählen, und darum trete ich zurück, denn sachlich sein heißt deutsch sein, und lasse Ihnen, Herr Major, neidlos die Ehren und die Freuden!« Allgemeine Bewegung. Kühnchens Bravo klang tränenfeucht, der Pastor nickte weihevoll, und Kunze starrte, sichtlich erschüttert, unter den Tisch. Diederich aber fühlte sich leicht und gut, er hatte sein Herz sprechen lassen, und es hatte Treue, Opfersinn und mannhaften Idealismus ausgedrückt. Diederichs blond behaarte Hand streckte sich über den Tisch, und die braun behaarte des Majors schlug zögernd, doch kräftig hinein.
    Nach dem Herzen freilich ergriff bei allen vier Männern wieder die Vernunft das Wort. Der Major erkundigte sich, ob Diederich bereit sei, ihn zu entschädigen für die ideellen und materiellen Verluste, von denen er bedroht sei, falls er gegen den Kandidaten des freisinnigen Klüngels in die Schranken trete und ihm unterliege. »Sehen Sie wohl!« — und er reckte den Finger gegen Diederich, der angesichts dieser Gradlinigkeit nicht gleich Worte fand. »So ganz koscher kommt Ihnen die nationale Sache auch nicht vor, und daß Sie mich durchaus rankriegen wollen, wie ich Sie kenne, Herr Doktor, hängt das mit irgendwelchen Fisimatenten Ihrerseits zusammen, von denen ich als grader Soldat gottlob nichts verstehe.« Hierauf beeilte Diederich sich, dem geraden Soldaten einen Orden zu versprechen, und da er sein Einverständnis mit Wulckow durchblicken ließ, war der nationale Kandidat endlich rückhaltlos gewonnen... Inzwischen aber hatte Pastor Zillich es sich überlegt, ob seine Stellung in der Stadt es ihm erlaube, den Vorsitz des nationalen Wahlkomitees zu übernehmen. Sollte er die Zwietracht in seine Gemeinde tragen? Sein leiblicher Schwager Heuteufel war der Kandidat der Liberalen! Freilich, wenn man statt des Denkmals eine Kirche gebaut hätte! »Denn wahrlich, Gotteshäuser tun mehr denn je not, und meine liebe Kirche von Sankt Marien wird von der Stadt so sehr vernachlässigt, daß sie heute oder morgen mir und meinen Christen auf den Kopf fallen kann.« Ohne Säumen verbürgte Diederich sich für alle gewünschten Reparaturen. Zur Bedingung machte er nur, daß der Pastor von den Vertrauensstellungen der neuen Partei alle diejenigen Elemente fernhalte, die schon durch gewisse Äußerlichkeiten berechtigte Zweifel an der Echtheit ihrer nationalen Gesinnung erregten. »Ohne in Familienverhältnisse eingreifen zu wollen«, setzte Diederich hinzu und sah Käthchens Vater an, der offenbar begriffen hatte, denn er muckte nicht... Aber auch Kühnchen, der längst nicht mehr hurra schrie, meldete sich. Die beiden andern hatten ihn, während sie selbst sprachen, nur mit Gewalt auf seinem Sitz festgehalten; kaum daß sie ihn losließen, riß er stürmisch die Debatte an sich. Wo mußte die nationale Gesinnung vor allem wurzeln? In der Jugend! Wie aber war das möglich, wenn der Rektor des Gymnasiums ein Freund des Herrn Buck war. »Da kann ich mir die Schwindsucht an den Hals reden von unseren glorreichen Taten im Jahre siebzig...« Genug, Kühnchen wollte Rektor werden, und

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