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Der Untertan

Der Untertan

Titel: Der Untertan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Mann
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Millionen betragen würden und wie lange es höchstens noch dauern könne, bis die Erde deutsch sei.
    Hiermit waren, nach der Meinung des nationalen Komitees, die Vorbereitungen getroffen für die erste Wahlversammlung der »Partei des Kaisers«. Sie sollte bei Klappsch sein, der seinen Saal patriotisch aufgemacht hatte. In Tannenkränzen glühten Transparente: »Der Wille des Königs ist das höchste Gebot«, »Es gibt für euch nur einen Feind, und der ist mein Feind«, »Die Sozialdemokratie nehme ich auf mich«, »Mein Kurs ist der richtige«, »Bürger, erwacht aus dem Schlummer!« Für das Erwachen sorgten Klappsch und Fräulein Klappsch, indem sie überall immer frisches Bier hinstellten, ohne so peinlich wie sonst die Bierfilze aufzuhäufen. So ward Kunze, als der Vorsitzende, Pastor Zillich, ihn der Versammlung vorstellte, schon mit Stimmung aufgenommen. Diederich freilich, hinter der Rauchwolke, in der das Büro saß, machte die unliebsame Bemerkung, daß auch Heuteufel, Cohn und einige von ihrem Anhang in den Saal gelangt waren. Er stellte Gottlieb Hornung zur Rede, denn Hornung hatte die Aufsicht. Aber er wollte sich nichts sagen lassen, er war gereizt, es hatte ihn zu große Mühe gekostet, die Leute zusammenzutreiben. So viele Lieferanten, wie das Kaiser-Wilhelm-Denkmal dank seiner Agitation nun schon hatte, konnte die Stadt nie bezahlen, und wenn der alte Kühlemann dreimal starb! Geschwollene Hände hatte Hornung von den Begrüßungen all der neubekehrten Patrioten! Zumutungen hatten sie an ihn gestellt! Daß er sich mit einem Drogisten assoziieren sollte, war noch das wenigste. Aber Gottlieb Hornung protestierte gegen diesen demokratischen Mangel an Distanz. Der Besitzer der Löwenapotheke hatte ihm soeben gekündigt, und er war entschlossener als je, weder Schwämme noch Zahnbürsten zu verkaufen... Inzwischen stammelte Kunze an seiner Kandidatenrede. Denn seine finstere Miene täuschte Diederich nicht darüber, daß der Major dessen, was er sagen wollte, durchaus nicht sicher war und daß der Wahlkampf ihn befangener machte, als der Ernstfall es getan haben würde. Er sagte: »Meine Herren, das Heer ist die einzige Säule«, da jedoch einer aus der Gegend Heuteufels dazwischenrief: »Schon faul!«, verwirrte Kunze sich sogleich und setzte hinzu: »Aber wer bezahlt es? Der Bürger.« Worauf die um Heuteufel bravo riefen. Hierdurch in eine falsche Richtung gedrängt, erklärte Kunze: »Darum sind wir alle Säulen, das dürfen wir wohl verlangen, und wehe dem Monarchen —« — »Sehr richtig!« antworteten freisinnige Stimmen, und die gutgläubigen Patrioten schrien mit. Der Major wischte sich den Schweiß; ohne sein Zutun nahm seine Rede einen Verlauf, als hielte er sie im liberalen Verein. Diederich zog ihn von hinten am Rockschoß, er beschwor ihn, Schluß zu machen, aber Kunze versuchte es vergebens: den Übergang zur Wahlparole der »Partei des Kaisers« fand er nicht. Am Ende verlor er die Geduld, ward jäh dunkelrot und stieß mit unvermittelter Wildheit hervor: »Ausrotten bis auf den letzten Stumpf! Hurra!« Der Kriegerverein donnerte Beifall. Wo nicht mitgeschrien wurde, erschienen auf Diederichs Wink eilends Klappsch oder Fräulein Klappsch.
    Zur Diskussion meldete sich alsbald Doktor Heuteufel, aber Gottlieb Hornung kam ihm zuvor. Diederich für seine Person blieb lieber im Hintergrund, hinter der Rauchwolke des Präsidiums. Er hatte Hornung zehn Mark versprochen, und Hornung war nicht in der Lage, sie auszuschlagen. Knirschend trat er an den Rand der Bühne und erläuterte die Rede des verehrten Herrn Majors dahin, daß das Heer, für das wir alle zu jedem Opfer bereit seien, unser Bollwerk gegen die Schlammflut der Demokratie sei. »Die Demokratie ist die Weltanschauung der Halbgebildeten«, stellte der Apotheker fest. »Die Wissenschaft hat sie überwunden.« — »Sehr richtig!« rief jemand; es war der Drogist, der sich mit ihm assoziieren wollte. »Herren und Knechte wird es immer geben!« bestimmte Gottlieb Hornung, »denn in der Natur ist es auch so. Und es ist das einzig Wahre, denn jeder muß über sich einen haben, vor dem er Angst hat, und einen unter sich, der vor ihm Angst hat. Wohin kämen wir sonst! Wenn der erste beste sich einbildet, er ist ganz für sich selbst was und alle sind gleich! Wehe dem Volk, dessen überkommene, ehrwürdige Formen sich erst in den demokratischen Mischmasch auflösen und wo der zersetzende Standpunkt der Persönlichkeit das Übergewicht

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