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Der Untertan

Der Untertan

Titel: Der Untertan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Mann
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er.
    Trotzdem schlief er in dieser Nacht unruhig. Schon um sieben ging er in die Fabrik hinunter und schlug sofort Lärm, weil noch die Bierflaschen von gestern umherlagen. »Hier wird nicht gesoffen, hier ist keine Kneipe. Herr Sötbier, das steht doch wohl im Reglement.« — »Reglement?« sagte der alte Buchhalter. »Wir haben gar keins.« Diederich war sprachlos; er schloß sich mit Sötbier ins Kontor ein. »Kein Reglement? Dann wundert mich allerdings gar nichts mehr. Was sind das für lächerliche Bestellungen, mit denen Sie sich da abgeben« — und er warf die Briefe auf dem Pult umher. »Es scheint höchste Zeit gewesen zu sein, daß ich eingreife. Das Geschäft versumpft in Ihren Händen.«
    »Versumpfen, junger Herr?«
    »Ich bin für Sie der Herr Doktor!« Und er verlangte, daß man einfach alle anderen Fabriken unterbieten solle.
    »Das halten wir nicht aus«, sagte Sötbier. »Überhaupt wären wir gar nicht imstande, so große Aufträge auszuführen wie Gausenfeld.«
    »Und Sie wollen ein Geschäftsmann sein? Dann stellen wir eben mehr Maschinen ein.«
    »Das kostet Geld«, sagte Sötbier.
    »Dann nehmen wir welches auf! Ich werde hier Schneid hineinbringen. Sie sollen sich wundern. Wenn Sie mich nicht unterstützen wollen, mache ich es allein.«
    Sötbier wiegte den Kopf. »Mit Ihrem Vater, junger Herr, war ich immer einig. Wir haben zusammen das Geschäft in die Höhe gebracht.«
    »Jetzt ist eine andere Zeit, merken Sie sich das. Ich bin mein eigener Geschäftsführer.«
    Sötbier seufzte: »Das ist die stürmische Jugend« — indes Diederich schon die Tür zuwarf. Er durchmaß den Raum, worin die mechanische Trommel, laut schlagend, die Lumpen in Chlor wusch, und wollte das Zimmer des großen Kochholländers betreten. Im Eingang kam ihm unvermutet der schwarzbärtige Maschinenmeister entgegen. Diederich zuckte zusammen, fast hätte er dem Arbeiter Platz gemacht. Dafür rannte er ihn mit der Schulter beiseite, bevor der Mann ausweichen konnte. Schnaufend sah er der Arbeit des Holländers zu, dem Drehen der Walze, dem Schneiden der Messer, das den Stoff in Fasern zerteilte. Grinsten ihn die Leute, die die Maschine bedienten, nicht etwa von der Seite an, weil er vor dem schwarzen Kerl erschrocken war? ›Der Kerl ist ein frecher Hund! Er muß raus!‹ Ein animalischer Haß stieg in Diederich herauf, der Haß seines blonden Fleisches gegen den mageren Schwarzen, den Menschen von einer anderen Rasse, die er gern für niedriger gehalten hätte und die ihm unheimlich schien. Diederich fuhr auf.
    »Die Walze ist falsch gestellt, die Messer arbeiten schlecht!« Da die Leute ihn nur ansahen, schrie er: »Maschinenmeister!« Und als der Schwarzbärtige eintrat: »Sehen Sie sich die Schweinerei mal an! Die Walze ist viel zu tief auf die Messer gesenkt, sie zerschneiden mir das ganze Zeug. Ich mache Sie verantwortlich für den Schaden!«
    Der Mann beugte sich über die Maschine. »Schaden ist keiner da«, sagte er ruhig, aber Diederich wußte schon wieder nicht, ob er unter seinem schwarzen Bart nicht feixte. Der Blick des Maschinenmeisters hatte etwas düster Höhnisches, Diederich ertrug ihn nicht, er gab es auf zu blitzen und warf nur die Arme. »Ich mache Sie verantwortlich!«
    »Was ist denn los?« fragte Sötbier, der den Lärm gehört hatte. Dann erklärte er dem Herrn, daß der Stoff durchaus nicht zu kleinfaserig geschnitten werde und daß es immer so gemacht worden sei. Die Arbeiter nickten mit den Köpfen, der Maschinenmeister stand gelassen dabei. Diederich fühlte sich einem Kompetenzstreit nicht gewachsen, er schrie noch: »Dann wird es künftig gefälligst anders gemacht!« und kehrte plötzlich um.
    Er gelangte in den Lumpensaal, und er gab sich Haltung, indem er sachkundig die Frauen überwachte, die auf den Siebplatten der langen Tische die Lumpen sortierten. Als eine kleine Dunkeläugige es unternahm, ihn aus ihrem bunten Kopftuch heraus ein wenig anzulächeln, prallte sie gegen eine so harte Miene, daß sie erschrak und sich duckte. Farbige Fetzen quollen aus den Säcken, das Getuschel der Frauen verstummte unter dem Blick des Herrn, und in der warmen, dumpfigen Luft war nichts mehr zu vernehmen als das leise Rattern der Sensen, die, in die Tische gerammt, die Knöpfe abschnitten. Aber Diederich, der die Heizungsrohre untersuchte, hörte etwas Verdächtiges. Er beugte sich hinter einen Haufen Säcke — und fuhr zurück, errötet und mit zitterndem Schnurrbart. »Nun hört alles auf!«

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