Der Untertan
bereitstanden.
Droben legte Diederich vor Mutter und Schwestern seine Pläne dar. Die Fabrik war zu vergrößern, das hintere Nachbarhaus anzukaufen. Man mußte konkurrenzfähig werden. Der Platz an der Sonne! Der alte Klüsing, draußen in der Papierfabrik Gausenfeld, bildete sich wohl ein, er werde ewig das ganze Geschäft machen?... Endlich tat Magda die Frage, woher er denn das Geld nehmen wolle; aber Frau Heßling schnitt ihr das vorlaute Wort ab. »Dein Bruder weiß das besser als wir.« Vorsichtig setzte sie hinzu: »Manches Mädchen wäre glücklich, wenn sie sein Herz gewinnen könnte« — und sie hielt, seines Zornes gewärtig, die Hand vor den Mund. Aber Diederich errötete nur. Da wagte sie, ihn zu umarmen. »Es wäre mir ja ein so entsetzlicher Schmerz«, schluchzte sie, »wenn mein Sohn, mein lieber Sohn, aus dem Hause ginge. Für eine Witwe ist es doppelt schwer. Die Frau Oberinspektor Daimchen kriegt es nun auch zu fühlen, denn ihre Guste heiratet ja den Wolfgang Buck.«
»Oder auch nicht«, sagte Emmi, die Ältere. »Denn der Wolfgang soll doch was mit einer Schauspielerin haben.« Frau Heßling vergaß ganz, die Tochter zu berufen. »Aber wo doch so viel Geld da ist! Eine Million, sagen die Leute!«
Diederich stieß verachtungsvoll hervor, den Buck kenne er, der sei nicht normal. »Es liegt wohl in der Familie. Der Alte hat doch auch schon eine Schauspielerin geheiratet.«
»Man sieht die Folgen«, sagte Emmi. »Denn von seiner Tochter, der Frau Lauer, hat man sich allerlei erzählt.«
»Kinder!« bat Frau Heßling ängstlich. Aber Diederich beruhigte sie.
»Laß nur, Mutter, es wird Zeit, daß man der Katze die Schelle umhängt. Ich stehe auf dem Standpunkt, daß die Bucks ihre Stellung hier in der Stadt schon längst nicht mehr verdienen. Sie sind eine verrottete Familie.«
»Die Frau von Moritz, dem Ältesten«, sagte Magda, »ist einfach eine Bäuerin. Neulich waren sie mal in der Stadt, er ist auch schon ganz verbauert.« Emmi empörte sich.
»Na, und der Bruder des alten Herrn Buck? Immer elegant, und die fünf unverheirateten Töchter! Sie lassen sich Suppe aus der Volksküche holen, ich weiß es positiv.«
»Die Volksküche hat ja der Herr Buck gegründet«, erklärte Diederich. »Und die Fürsorge für die entlassenen Sträflinge auch, und was sonst noch. Ich möchte wissen, wann er eigentlich Zeit hat, an seine eigenen Geschäfte zu denken.«
»Es würde mich nicht wundern«, sagte Frau Heßling, »wenn nicht mehr viel da wäre. Obwohl ich vor dem Herrn Buck natürlich die größte Hochachtung habe, er ist doch so angesehen.«
Diederich lachte bitter. »Warum eigentlich? In der Verehrung des alten Buck sind wir aufgezogen worden. Der große Mann von Netzig! Im Jahre achtundvierzig zum Tode verurteilt!«
»Das ist aber auch ein historisches Verdienst, sagte dein Vater immer.«
»Verdienst?« schrie Diederich. »Wenn ich nur weiß, einer ist gegen die Regierung, ist er für mich schon erledigt. Und Hochverrat soll ein Verdienst sein?«
Und er stürzte sich, vor den erstaunten Frauen, in die Politik. Diese alten Demokraten, die noch immer das Regiment führten, waren nachgerade die Schmach von Netzig! Schlapp, unpatriotisch, mit der Regierung zerfallen! Ein Hohn für den Zeitgeist! Weil im Reichstag der alte Landgerichtsrat Kühlemann saß, ein Freund des berüchtigten Eugen Richter, darum stockte hier das Geschäft, und niemand kriegte Geld. Natürlich, für so ein freisinniges Nest gab es weder Bahnanschlüsse noch Militär. Kein Zuzug, kein Betrieb! Die Herren im Magistrat, immer dieselben paar Familien, das kannte man, die schoben sich untereinander die Aufträge zu, und für andere Leute war nichts da. Die Papierfabrik Gausenfeld hatte sämtliche Lieferungen an die Stadt, denn auch ihr Besitzer Klüsing gehörte zu der Bande des alten Buck!
Magda wußte noch etwas. »Neulich ist die Liebhabervorstellung im Bürgerkränzchen abgesagt worden, weil dem Herrn Buck seine Tochter, Frau Lauer, krank war. Das ist doch Popismus.«
»Nepotismus heißt es«, sagte Diederich streng. Er rollte die Augen. »Und dabei ist der Herr Lauer ein Sozialist. Aber der Herr Buck mag sich hüten! Wir werden ihm auf die Finger sehen!«
Frau Heßling hob flehend die Hände. »Mein lieber Sohn, wenn du jetzt in der Stadt deine Besuche machst, versprich mir, daß du auch zum Herrn Buck gehst. Er ist nun mal so einflußreich.«
Aber Diederich versprach nichts. »Andere wollen auch ran!« rief
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