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Der Untertan

Der Untertan

Titel: Der Untertan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Mann
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konnte: »Schöne Schmisse«, sagte er; und zu dem andern Herrn: »Finden Sie nicht?«
    Der andere Herr legte Diederich zunächst große Zurückhaltung auf, denn er sah stark jüdisch aus. Aber der Bürgermeister stellte vor: »Herr Assessor Jadassohn, von der Staatsanwaltschaft« — was dann allerdings eine vollwertige Begrüßung nötig machte.
    »Setzen Sie sich nur gleich«, sagte der Bürgermeister, »wir fangen gerade an.« Er schenkte Diederich Porter ein und legte ihm Lachsschinken vor. »Meine Frau und meine Schwiegermutter sind ausgegangen, die Kinder in der Schule, dies ist die Stunde des Junggesellen, prost!«
    Der jüdische Herr von der Staatsanwaltschaft hatte vorläufig nur für das Stubenmädchen Augen. Während sie neben ihm am Tisch zu tun hatte, war seine Hand verschwunden. Dann ging sie, und er wollte von öffentlichen Angelegenheiten beginnen, aber der Bürgermeister ließ sich nicht unterbrechen. »Die beiden Damen kommen vor dem Mittagessen nicht zurück, denn meine Schwiegermutter ist beim Zahnarzt. Ich kenne das, es kostet Mühe mit ihr, und inzwischen gehört uns das Haus.« Er holte einen Likör aus dem Büffet, rühmte ihn, ließ sich seine Güte von den Gästen bestätigen und fuhr fort, eintönig und vom Kauen unterbrochen, das Idyll seiner Vormittage zu preisen. Allmählich ward, in allem Glück, seine Miene immer besorgter, er fühlte wohl, das Gespräch könne so nicht weitergehen; und nachdem eine Minute lang alle geschwiegen hatten, entschloß er sich.
    »Ich darf annehmen, Herr Doktor Heßling —: mein Haus liegt ja nicht in nächster Nachbarschaft des Ihren, und so würde ich es durchaus begreiflich finden, wenn Sie vor mir einige andere Herren aufgesucht hätten.«
    Diederich errötete schon für die Lüge, die er noch nicht ausgesprochen hatte. ›Es würde herauskommen‹, dachte er noch rechtzeitig, und er sagte: »Tatsächlich habe ich mir erlaubt — Das heißt, natürlich war mein erster Weg zu Ihnen, Herr Bürgermeister. Nur im Andenken an meinen Vater, der eine so große Verehrung für den alten Herrn Buck hatte —«
    »Begreiflich, durchaus begreiflich.« Der Bürgermeister nickte mit Nachdruck. »Herr Buck ist der älteste unter unsern verdienten Bürgern und übt daher einen zweifellos legitimen Einfluß aus.«
    »Vorläufig noch!« sagte mit unerwartet scharfer Stimme der jüdische Herr von der Staatsanwaltschaft und sah Diederich herausfordernd an. Der Bürgermeister hatte sich über seinen Käse gebeugt, Diederich fand sich schutzlos, er blinzelte. Da der Blick des Herrn durchaus ein Bekenntnis verlangte, brachte er etwas hervor von »eingefleischtem Respekt« und führte sogar Kindheitserinnerungen an, die es entschuldigen sollten, daß er zuerst bei Herrn Buck gewesen war. Dabei betrachtete er schreckerfüllt die ungeheuren, roten und weit abstehenden Ohren des Herrn von der Staatsanwaltschaft. Dieser ließ Diederich fertig stammeln, wie einen Angeklagten, der sich verfing; endlich versetzte er schneidend: »Der Respekt ist in gewissen Fällen dazu da, daß man sich ihn abgewöhnt.«
    Diederich stutzte; dann entschloß er sich zu einem verständnisvollen Gelächter. Der Bürgermeister sagte mit blassem Lächeln und einer versöhnlichen Geste: »Herr Assessor Doktor Jadassohn ist nun einmal gern geistreich — was ich persönlich ganz besonders an ihm schätze. In meiner Stellung freilich bin ich genötigt, die Dinge objektiv und voraussetzungslos zu betrachten. Und da muß ich denn sagen: einerseits —«
    »Kommen wir gleich zum Andererseits!« verlangte Assessor Jadassohn. »Für mich als Vertreter einer staatlichen Behörde wie als überzeugten Anhänger der bestehenden Ordnung sind dieser Herr Buck und sein Genosse, der Reichstagsabgeordnete Kühlemann, nach ihrer Vergangenheit und Gesinnung einfach Umstürzler, und damit fertig. Ich mache aus meinem Herzen keine Mördergrube, ich halte das nicht für deutsch. Volksküchen gründen, meinetwegen; aber das beste Futter für das Volk ist eine gute Gesinnung. Eine Idiotenanstalt mag auch ganz nützlich sein.«
    »Aber nur eine kaisertreue«, ergänzte Diederich. Der Bürgermeister machte beschwichtigende Zeichen. »Meine Herren!« flehte er. »Meine Herren! Wenn wir uns denn aussprechen sollen, so ist es gewiß richtig, daß bei aller bürgerlichen Hochschätzung der genannten Herren andererseits doch —«
    »Andererseits!« wiederholte Jadassohn streng.
    »— das tiefste Bedauern zurückbleibt über unsere

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