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Der Untertan

Der Untertan

Titel: Der Untertan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Mann
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Hause und natürlich auch liberal bin.«
    Jadassohn sah ihn von der Seite an. »Neuteutonia?« fragte er. Und als Diederich sich erstaunt umwandte: »Wie geht es denn meinem alten Freund Wiebel?«
    »Sie kennen ihn? Er war mein Leibbursch!«
    »Kennen! Ich habe mit ihm gehangen.«
    Diederich ergriff die Hand, die Jadassohn hinhielt, sie schüttelten einander kraftvoll. »Na dann!« — »Na also!« Und Arm in Arm gingen sie in den Ratskeller, Mittag essen.
    Dort war es einsam und dämmerig, hinten ward für sie das Gas angezündet, und bis die Suppe kam, machten sie alte Kommilitonen ausfindig. Der dicke Delitzsch! Diederich berichtete mit der Genauigkeit eines Augenzeugen über seinen tragischen Tod. Das erste Glas Rauenthaler weihten sie still seinem Andenken. Es zeigte sich, daß auch Jadassohn die Februarkrawalle mitgemacht und damals die Macht verehren gelernt hatte, wie Diederich. »Seine Majestät hat einen Mut bewiesen«, sagte der Assessor, »daß einem schwindlig werden konnte. Mehrmals habe ich, weiß Gott, geglaubt —« Er stockte, sie sahen schaudernd einander in die Augen. Um über die entsetzliche Vorstellung hinwegzukommen, erhoben sie die Gläser. »Gestatte mir«, sagte Jadassohn. »Ziehe gleich mit«, erwiderte Diederich. Und Jadassohn: »Werte Lieben mit eingeschlossen.« Und Diederich: »Werde zu Hause davon zu rühmen wissen.«
    Dann ließ sich Jadassohn, obwohl sein Essen kalt ward, auf eine ausführliche Würdigung des kaiserlichen Charakters ein. Die Philister, Nörgler und Juden mochten an ihm aussetzen, was sie wollten, alles in allem war unser herrlicher junger Kaiser die persönlichste Persönlichkeit, von erfreulicher Impulsivität und ein höchst origineller Denker. Diederich glaubte dies auch schon festgestellt zu haben und nickte befriedigt. Er sagte sich, daß das Äußere eines Menschen zuweilen trüge, und daß die deutsche Gesinnung nicht notwendig von der Größe der Ohren abhänge. Sie leerten ihre Gläser auf den glücklichen Ausgang des Kampfes für Thron und Altar, gegen den Umsturz in jeder Form und Verkleidung.
    So gelangten sie wieder zu den Zuständen in Netzig. Sie waren sich einig darin, daß der neue nationale Geist, für den es die Stadt zu erobern galt, kein anderes Programm brauche als den Namen Seiner Majestät. Die politischen Parteien waren alter Trödel, wie Seine Majestät selbst gesagt hatte. »Ich kenne nur zwei Parteien, die für mich und die wider mich«, hatte er gesagt, und so war es. In Netzig überwog leider noch die Partei, die gegen ihn war, aber das sollte sich ändern, und zwar — dies war Diederich klar — vermittelst des Kriegervereins. Jadassohn, der ihm nicht angehörte, übernahm es gleichwohl, Diederich mit den leitenden Persönlichkeiten bekannt zu machen. Da war vor allem Pastor Zillich, ein Korpsbruder von Jadassohn, ein echt deutscher Mann! Gleich nachher wollten sie ihn besuchen. Sie tranken auf sein Wohl. Auch auf seinen Hauptmann trank Diederich, den Hauptmann, der aus einem strengen Vorgesetzten sein bester Freund geworden war. »Das Dienstjahr ist doch das Jahr, das ich aus meinem Leben am wenigsten missen möchte.« Unvermittelt und schon ziemlich gerötet, rief er aus: »Und solche erhebenden Erinnerungen möchten diese Demokraten uns verekeln!«
    Der alte Buck! Diederich konnte sich plötzlich nicht fassen vor Wut, er stammelte: »Am Dienen will solch ein Mensch uns hindern, er sagt, wir sind Knechte! Weil er mal Revolution gemacht hat —«
    »Das ist ja schon nicht mehr wahr«, sagte Jadassohn.
    »Darum sollen wir uns wohl alle zum Tode verurteilen lassen? Hätten sie ihn wenigstens geköpft!... Die Hohenzollern sollen uns schlecht bekommen sein!«
    »Ihm sicher«, sagte Jadassohn und tat einen großen Zug.
    »Aber ich stelle fest« — Diederich rollte die Augen —, »daß ich all seinen lästerlichen Unfug nur angehört habe, um mich darüber zu unterrichten, wes Geistes Kind er ist. Ich nehme Sie zum Zeugen, Herr Assessor! Wenn der alte Intrigant jemals behaupten sollte, daß ich sein Freund bin und seine infamen Majestätsbeleidigungen gebilligt habe, dann nehme ich Sie zum Zeugen, daß ich gleich heute protestiert habe!«
    Der Schweiß brach ihm aus, denn er dachte an die Sache mit der Baukommission und an den Schutz, den er bei ihr genießen sollte... Unvermittelt warf er ein Buch auf den Tisch, ein kleines, fast quadratisches Buch, und stieß ein Hohngelächter dabei aus.
    »Dichten tut er auch!«
    Jadassohn

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