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Der Untertan

Der Untertan

Titel: Der Untertan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Mann
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einen Sinn? Nur weil dieser Bauerntölpel keinen Spaß verstanden hat? Ein Witz, ein gutmütiges Lachen nur, und er entwaffnet den Arbeiter, der ihn herausfordern möchte, seinen Kameraden, einen armen Teufel wie er selbst. Statt dessen befiehlt man ihm zu schießen. Und nachher kommen die großen Worte.«
    Landgerichtsrat Fritzsche stimmte bei und riet zur Mäßigung. Da sagte Diederich, noch bleich und mit einer Stimme, die erschauerte: »Das Volk muß die Macht fühlen! Das Gefühl der kaiserlichen Macht ist mit einem Menschenleben nicht zu teuer bezahlt!«
    »Wenn es nur nicht Ihres ist«, sagte Heuteufel. Und Diederich, die Hand auf der Brust: »Wenn es auch meins wäre!«
    Heuteufel zuckte die Achseln. Während man weiterging, versuchte Diederich dem Pastor Zillich, mit dem er ein Stück zurückblieb, seine Empfindungen zu erklären. »Für mich«, sagte er, schnaufend vor innerer Bewegung, »hat der Vorgang etwas direkt Großartiges, sozusagen Majestätisches. Daß da einer, der frech wird, einfach abgeschossen werden kann, ohne Urteil, auf offener Straße! Bedenken Sie: mitten in unserm bürgerlichen Stumpfsinn kommt so was — Heroisches vor! Da sieht man doch, was Macht heißt!«
    »Wenn sie von Gottes Gnaden ist«, ergänzte der Pastor.
    »Natürlich. Das ist es eben. Drum hab ich geradezu eine religiöse Erhebung von der Sache. Man merkt doch manchmal, daß es höhere Dinge gibt. Gewalten, denen wir alle unterworfen sind. Denn zum Beispiel bei dem Berliner Krawall, vorigen Februar, als Seine Majestät sich mit so phänomenaler Kaltblütigkeit in den tobenden Aufruhr hinauswagten: na, ich sage nur —« Da die übrigen vor dem Ratskeller stehengeblieben waren, erhob Diederich die Stimme: »Wenn damals der Kaiser die ganzen Linden hätte vom Militär absperren und in uns alle hätte reinschießen lassen, immer feste rein, sag ich...«
    »Sie hätten hurra geschrien«, schloß Doktor Heuteufel.
    »Sie vielleicht nicht?« fragte Diederich und versuchte zu blitzen. »Ich hoffe doch, wir empfinden alle national!«
    Der Fabrikant Lauer wollte schon wieder unvorsichtig entgegnen, ward aber zurückgehalten. Statt seiner sagte Cohn: »Nun, national bin ich auch. Aber bezahlen wir unsere Armee für solche Witze?«
    Diederich maß ihn.
    »Ihre Armee, sagen Sie? Herr Warenhausbesitzer Cohn hat eine Armee! Haben die Herren gehört?« Er lachte erhaben. »Ich kannte bisher nur die Armee Seiner Majestät des Kaisers!«
    Doktor Heuteufel brachte etwas von Volksrechten vor, aber Diederich betonte mit abgehackter Kommandostimme, daß er keinen Schattenkaiser wünsche. Ein Volk, das die straffe Zucht verliere, sei der Verlotterung geweiht ... Inzwischen war man im Keller angelangt, Lauer und seine Freunde saßen schon. »Na, setzen Sie sich nicht zu uns?« ward Diederich von Doktor Heuteufel gefragt. »Schließlich sind wir wohl alle liberale Männer.« Da stellte Diederich fest: »Liberal selbstverständlich. Aber ich gehe in den großen nationalen Fragen aufs Ganze. Für mich gibt es da nur zwei Parteien, die Seine Majestät selbst gekennzeichnet haben: die für ihn und die gegen ihn. Und da scheint es mir allerdings, daß an dem Tisch der Herren für mich kein Platz ist.«
    Er vollführte eine korrekte Verbeugung und ging hinüber zu dem leeren Tisch. Jadassohn und Pastor Zillich folgten ihm. Gäste, die in der Nähe saßen, sahen sich um; eine allgemeine Stille entstand. Mit dem Rausch des Erlebten stieg in Diederich der Plan empor, Sekt zu bestellen. Drüben ward geflüstert, dann rückte jemand seinen Stuhl, es war Landgerichtsrat Fritzsche. Er verabschiedete sich, kam an Diederichs Tisch, um ihm, Jadassohn und Zillich die Hände zu schütteln, und ging hinaus.
    »Das wollte ich ihm auch geraten haben«, bemerkte Jadassohn. »Er hat die Unhaltbarkeit seiner Lage noch rechtzeitig erkannt.« Diederich sagte: »Eine reinliche Scheidung war vorzuziehen. Wer in nationaler Beziehung ein gutes Gewissen hat, braucht diese Leute wahrhaftig nicht zu fürchten.« Aber Pastor Zillich schien betreten. »Der Gerechte muß viel leiden«, sagte er. »Sie wissen noch nicht, wie Heuteufel intrigant ist. Morgen erzählt er Gott weiß welche Greuel über uns.« Da zuckte Diederich zusammen. Doktor Heuteufel war eingeweiht in jenen immerhin dunklen Punkt seines Lebens, als er vom Militär loszukommen wünschte! Er hatte ihm, in einem höhnischen Brief, das Krankheitsattest verweigert! Er hielt ihn in der Hand, er konnte ihn vernichten! In

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