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Der Untertan

Der Untertan

Titel: Der Untertan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Mann
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zuläßt.« Jemand sagte: »Führen Sie doch auch den Toten ab!« Aber Jadassohn krähte: »Herr Fabrikbesitzer Lauer, ich verbitte mir jede Kritik meiner amtlichen Maßnahmen!«
    Diederich inzwischen hatte Zeichen hoher Erregung von sich gegeben. »Oh!... Ah!... Aber das ist —« Er war ganz bleich; er setzte sich: »Meine Herren... Meine Herren, ich bin in der Lage — Ich kenne diese Leute: jawohl, den Mann und das Mädchen. Doktor Heßling mein Name. Beide waren bis heute in meiner Fabrik beschäftigt. Ich mußte sie entlassen, wegen öffentlich begangener unsittlicher Handlungen.«
    »Aha!« machte Jadassohn. Pastor Zillich rührte sich. »Das ist fürwahr der Finger Gottes«, sagte er. Der Fabrikant Lauer hatte sich in seinem grauen Spitzbart heftig gerötet, seine gedrungene Gestalt ward geschüttelt vom Zorn.
    »Über den Finger Gottes läßt sich streiten. Sicher scheint nur, Herr Doktor Heßling, daß der Mann sich zu Ausschreitungen hat hinreißen lassen, weil die Entlassung ihm zu Herzen gegangen ist. Er hatte eine Frau, vielleicht auch Kinder.«
    »Sie waren gar nicht verheiratet«, sagte Diederich, seinerseits entrüstet. »Ich weiß es von ihm selbst.«
    »Was ändert das?« fragte Lauer. Da erhob der Pastor die Arme. »Sind wir denn schon so weit«, rief er, »daß es nichts ändert, ob das sittliche Gesetz Gottes befolgt wird oder nicht?«
    Lauer erklärte es für unangebracht, auf der Straße und im Augenblick, wo jemand mit behördlicher Billigung totgeschossen worden sei, über sittliche Gesetze zu debattieren; und er wandte sich an das Mädchen, um ihm Arbeit in seiner Werkstatt anzubieten. Inzwischen war ein Sanitätswagen angelangt; der Tote ward vom Boden aufgenommen. Wie man ihn aber hineinschob, fuhr das Mädchen aus seiner Starrheit empor, stürzte sich über die Bahre, entriß sie, ehe man es sich versah, den Männern, daß sie niederfiel — und zusammen mit dem Toten, in ihn verkrampft und unter gellendem Geschrei, rollte sie auf das Pflaster. Mit großer Mühe ward sie von dem Leichnam gelöst und in eine Droschke gehoben. Der Assistenzarzt, der den Krankenwagen begleitet hatte, fuhr mit ihr fort.
    Auf den Fabrikanten Lauer, der mit Heuteufel und den anderen Logenbrüdern weitergehen wollte, trat Jadassohn zu, in drohender Haltung. »Einen Augenblick, bitte. Sie äußerten da vorhin, daß hier mit behördlicher Billigung — ich nehme die Herren zu Zeugen, daß dies Ihr Ausdruck war —, also mit behördlicher Billigung jemand totgeschossen sei. Ich möchte fragen, ob das von Ihrer Seite vielleicht eine Mißbilligung der Behörde bedeuten sollte?«
    »Ach so«, machte Lauer und sah ihn an. »Mich möchten Sie wohl auch abführen lassen?«
    »Zugleich«, fuhr Jadassohn mit hoher, schneidiger Stimme fort, »mache ich Sie darauf aufmerksam, daß das Verhalten eines Postens, der ein ihn belästigendes Individuum niederschießt, vor wenigen Monaten, nämlich im Fall Lück, von maßgebender Stelle als korrekt und tapfer bezeichnet und durch Auszeichnungen und Gnadenbeweise belohnt worden ist. Hüten Sie sich vor einer Kritik der Allerhöchsten Handlungen!«
    »Ich habe keine ausgesprochen«, sagte Lauer. »Ausgesprochen habe ich bis jetzt nur meine Mißbilligung des Herrn dort, mit dem gefährlichen Schnurrbart.«
    »Wie?« fragte Diederich, der noch immer die Pflastersteine ansah, wo der Erschossene gefallen war und wo ein wenig Blut lag. Er begriff endlich, daß er herausgefordert war.
    »Der Schnurrbart wird von Seiner Majestät getragen!« sagte er fest. »Es ist die deutsche Barttracht. Im übrigen lehne ich jede Diskussion mit einem Arbeitgeber ab, der den Umsturz fördert.«
    Lauer öffnete schon wütend den Mund, obwohl der Bruder des alten Buck, Heuteufel, Cohn und Landgerichtsrat Fritzsche ihn fortziehen wollten; und neben Diederich reckten sich kampfbereit Jadassohn und Pastor Zillich: — da erschien im Eilschritt eine Abteilung Infanterie, sperrte die Straße ab, die ganz geleert war, und der Leutnant, der die Führung hatte, forderte die Herren zum Weitergehen auf. Alle gehorchten schleunigst; sie sahen noch, wie der Leutnant vor den Wachtposten hintrat und ihm die Hand schüttelte.
    »Bravo!« sagte Jadassohn. Und Doktor Heuteufel: »Morgen kommen nun Hauptmann, Major und Oberst dran, müssen belobigen und dem Kerl Geldgeschenke machen.«
    »Sehr richtig!« sagte Jadassohn.
    »Aber —« Heuteufel blieb stehen. »Meine Herren, verständigen wir uns doch. Hat denn das alles

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