Der Untertan
»Mein lieber Sohn, ich bin mit dir.« Dabei sah sie ihn an, als wollte sie »aus dem Herzen beten«. Diederich verlangte einen sauren Hering; und dann beklagte er sich zornig, wie schwer es sei, in Netzig den neuen Geist einzuführen. Wenigstens hier im Hause sollte man seine Kraft nicht untergraben! »Ich habe Großes mit euch vor, aber das überlaßt gefälligst meiner besseren Einsicht. Einer muß Herr sein. Unternehmungsgeist und Großzügigkeit gehören freilich dazu. Sötbier ist dabei nicht zu gebrauchen. Eine Weile lasse ich den Alten noch verschnaufen, dann wird er ausgeschifft.«
Frau Heßling versicherte sanft, ihr lieber Sohn werde schon um seiner Mutter willen immer genau wissen, was er tun müsse — und dann begab Diederich sich ins Kontor und schrieb einen Brief an die Maschinenfabrik Büschli & Cie. in Eschweiler, um bei ihr einen neuen Patent-Doppel-Holländer System Maier zu bestellen. Er ließ den Brief offen daliegen und ging hinaus. Wie er zurückkam, stand Sötbier vor seinem Pult, und es war kein Zweifel, unter seinem grünen Augenschirm weinte er: es tropfte auf den Brief. »Sie müssen ihn noch mal abschreiben lassen«, sagte Diederich kühl. Da begann Sötbier: »Junger Herr, unser alter Holländer ist kein Patent-Holländer, aber er stammt noch aus der ersten Zeit des alten Herrn; mit ihm hat er angefangen, und mit ihm ist er groß geworden...«
»Na und ich hege meinerseits den Wunsch, mit meinem eigenen Holländer groß zu werden«, sagte Diederich schneidend. Sötbier jammerte.
»Unser alter hat uns noch immer genügt.«
»Mir nicht.«
Sötbier schwur, er sei so leistungsfähig wie die allerneuesten, die nur durch schwindelhafte Reklame emporgetragen würden. Als Diederich hart blieb, öffnete der Alte die Tür und rief hinaus: »Fischer! Kommen Sie mal her!« Diederich ward unruhig. »Was wollen Sie von dem Menschen. Ich verbitte mir, daß er sich einmischt!« Aber Sötbier berief sich auf das Zeugnis des Maschinenmeisters, der in den größten Betrieben gearbeitet habe. »Nun, Fischer, sagen sie mal dem Herrn Doktor, wie leistungsfähig unser Holländer ist!« Diederich wollte nicht hören, er lief hin und her, überzeugt, der Mensch werde die Gelegenheit ergreifen, ihn zu ärgern. Statt dessen begann Napoleon Fischer mit einer uneingeschränkten Anerkennung von Diederichs Sachverständigkeit, und dann sagte er über den alten Holländer alles Ungünstige, das sich irgend über ihn denken ließ. Wenn man Napoleon Fischer hörte, war er schon nahe daran gewesen, zu kündigen, nur weil ihm der alte Holländer nicht gefiel. Diederich schnaubte: er habe wahrhaftig Glück, daß ihm die wertvolle Kraft des Herrn Fischer nun doch erhalten bleibe; aber der Maschinenmeister erklärte ihm, ohne sich auf seine Ironie einzulassen, nach der Abbildung im Prospekt alle Vorzüge des neuen Patent-Holländers, vor allem seine höchst bequeme Bedienung. »Wenn ich Ihnen nur Arbeit erspare!« schnaubte Diederich. »Sonst wünsch ich mir nichts. Danke, Sie können gehen.«
Als der Maschinenmeister hinaus war, beschäftigten Sötbier und Diederich sich eine lange Weile jeder für sich. Plötzlich fragte Sötbier: »Und womit sollen wir ihn bezahlen?« Diederich war sofort feuerrot; auch er hatte die ganze Zeit an nichts weiter gedacht. »Ach was!« schrie er.
»Bezahlen! Erstens mache ich eine lange Lieferungsfrist aus, und dann: wenn ich mir einen so teuren Holländer bestelle, meinen Sie vielleicht, ich weiß nicht wozu? Nein, mein Lieber, dann muß ich wohl bestimmte Aussichten auf baldige Ausdehnung des Geschäftes haben — über die ich mich heute noch nicht äußern will.«
Damit verließ er das Kontor, in strammer Haltung, trotz inneren Zweifeln. Dieser Napoleon Fischer hatte sich beim Hinausgehen nochmals umgesehen, mit einem gewissen Blick, als habe er den Chef gehörig hineingelegt. ›Umdroht von Feinden‹, dachte Diederich und reckte sich noch straffer, ›da sind wir erst recht stark. Ich werde sie schon zerschmettern.‹ Sie sollten erfahren, mit wem sie es zu tun hatten; daher führte er einen Gedanken aus, der ihm schon beim Erwachen gekommen war: er ging zum Doktor Heuteufel. Dieser hielt eben seine Sprechstunde ab und ließ ihn warten. Dann empfing er ihn in seinem Operationszimmer, wo alles, Geruch und Gegenstände, Diederich an frühere, peinliche Besuche erinnerte. Doktor Heuteufel nahm die Zeitung vom Tisch, lachte kurz und sagte: »Nun, Sie kommen wohl her, um zu
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